Die Waffen nieder!
Renaissancestil.
Kaum aber waren die Gerichte aufgestellt, so wurde die Tafel wieder abgeräumt, eine Arbeit, welche – gleichfalls als Zeichen der Demut – die Erzherzöge verrichteten. Hiernach ward die Tafel hinausgetragen, die eigentliche Effektszene des Stückes (was die Franzosen »le clou de la pièce« nennen) – die Fußwaschung – begann. Freilich nur eine Scheinwaschung, wie das Mahl nur ein Scheinmahl gewesen. Auf dem Boden knieend, streifte der Kaiser mit einem Tuch über die Füße der Greise hinweg, nachdem der ihm assistierende Priester aus einer Kanne scheinbar Wasser darübergegossen, und so rutschte er vom ersten bis zum zwölften Pfründner, während die Kaiserin – die man sonst nur so majestätisch hochaufgerichtet zu sehen bekommt – in derselben demütigen Stellung, in welcher sie ihre gewohnte Anmut übrigens nicht verliert, die gleiche Prozedur an den zwölf Pfründnerinnen vornahm. Die begleitende Musik, oder, wenn man will, den erklärenden Chor, bildete das gleichzeitig vom Hofburgpfarrer vorgelesene Evangelium des Tages.
Gern hätte ich auf einige Augenblicke mitempfinden mögen, was in dem Geiste dieser Alten vorging, während sie so dasaßen, in der seltsamen Tracht, von einer glänzenden Menge angegafft, den Landesvater, die Landesmutter – Ihre Majestäten – zu ihren Füßen ... Wahrscheinlich wäre es gar keine klare Empfindung gewesen, die ich danach gefühlt hätte, wenn mir der gewünschte momentane Bewußtseinstausch gewährt worden wäre, sondern ein verwirrter, geblendeter Halbtraum, ein zugleich frohes und peinliches, verlegenes und feierliches Gefühl, ein vollständiges Stillstehen der Gedanken in den ohnehin unwissenden und altersschwachen armen Köpfen. Das einzige Wirkliche und Faßbare an der Sache mochte den guten Alten nur die Aussicht auf das rotseidene Beutelchen mit den dreißig Silberstücken sein, welches jedem von Allerhöchster Hand umgehängt ward, und auf den Korb voll Speisen, welchen man ihnen auf die Heimfahrt mitgibt.
Die ganze Zeremonie war schnell zu Ende und gleich darauf leerte sich der Saal. Zuerst zog sich der Hof zurück; hierauf entfernten sich alle anderen Mitbeteiligten, und zugleich auch das Publikum von Estrade und Galerie.
»Schön war's, schon war's!« flüsterte Rosa mit einem tiefen Atemzug.
Ich antwortete nichts. Eigentlich hatte ich keine Ursache, die Verwirrung und Gedankenarmut der Festgreise zu bemitleiden, war mir doch selber das Verständnis der eben stattgehabten Feier ein ziemlich verschwommenes, und hatte ich nur noch den einen Gedanken im Sinn: »Wird er uns am Ausgang er warten?«
Doch wir gelangten nicht so schnell zum Ausgang, als ich gewollt hätte. Zuerst hieß es doch, mit fast sämtlichen Estradezuschauern, welche gleichzeitig mit uns ihre Plätze verließen, Hände schütteln und ein paar Phrasen tauschen. Man blieb da im Stiegenhause in einer großen Gruppe stehen und es gab einen förmlichen Morgenraout. »Grüß' dich, Toni.« – »Bonjour, Martha.« – »Ach, Sie auch da, Gräfin?« – »Bist du für den Ostersonntag schon vergeben?« – »Guten Tag, Durchlaucht, vergessen Sie nicht, daß wir Sie morgen abend zu einer kleinen Tanzerei erwarten.« – »Warst du gestern bei den Dominikanern in der Predigt?« – »Nein, ich war im Sacré cœur, wo meine Töchter eine Retraite machen.« – »Die nächste Probe zu unserer Wohltätigkeitsvorstellung ist Dienstag um zwölf Uhr, lieber Baron, seien Sie ja pünktlich.« – »Die Kaiserin hat wieder superb ausgesehen.« – »Hast du bemerkt, Lori, wie der Erzherzog Ludwig Viktor immer zu der Götter-Fanny herüberschielte?« – »Madame, j'ai l'honneur de vous présenter mes hommages.« – »Ah,c'est vous, marquis ... charmée.« – »I wish you good morning, Lord Chesterfield« – »Oh, how are you? Awfully fine women, your Empress.« – »Haben Sie schon eine Loge gesichert für die Vorstellung der Adelina Patti? Ein ganz wunderbarer aufgehender Stern ...« – »Die Nachricht von der Verlobung des Ferdi Drontheim mit der Bankierstochter soll sich also doch bestätigen – es ist ein Skandal!«
Und so schwirrte es hin und her. Ein unbefangener Horcher hätte diesen Gesprächen wohl kaum angemerkt, daß sie der Nachstimmung einer eben verrichteten Demutsandacht entsprangen.
Endlich traten wir vor das Tor hinaus, wo unsere Wagen warteten und eine Menge Volk versammelt war. Diese Leute, wollten wenigstens diejenigen sehen, welche so glücklich
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