Die Waffen nieder!
keine Partie, er soll gar nichts haben; zweitens scheinen mir seine Grundsätze und Ansichten ...«
»Seine Grundsätze und Ansichten stimmen mit den meinen überein, und eine sogenannte ›Partie‹ zu suchen – darauf bin ich nicht angewiesen ... Vater – mein Herzensvater, schau' nicht so bitter drein – verdirb mir das hohe Glück nicht, welches ich zu dieser Stunde empfinde – mein guter, geliebter alter Papa!«
»Aber Kind,« antwortete er in etwas besänftigtem Tone, denn ein wenig Zärtlichkeit pflegte ihn gleich zu entwaffnen: »es ist ja eben dein Glück, was ich im Auge habe. Ich könnte mit keinem Soldaten glücklich werden, der nicht mit Leib und Seele Soldat ist.«
»Du brauchst ja Tilling nicht zu heiraten,« bemerkte Tante Marie ganz zutreffend. »Das Soldatentum ist das geringste,« fügte sie hinzu; »aber ich könnte mit einem Manne nicht glücklich werden, der von dem Gott der Bibel in so wenig ehrerbietigem Tone redet, wie neulich –«
»Erlaube mir, dich aufmerksam zu machen, liebste Tante, daß auch du Friedrich Tilling nicht zu heiraten brauchst.«
»Des Menschen Wille ist sein Himmelreich,« sagte mein Vater mit einem Seufzer, indem er sich wieder niedersetzte. »Natürlich wird Tilling quittieren?«
»Darüber haben wir noch nicht gesprochen. Lieber wäre es mir freilich – aber ich fürchte, er wird es nicht tun.«
»Wenn ich denke, daß du einem Fürsten einen Korb gegeben hast,« seufzte Tante Marie, »und jetzt statt dich erheben, wirft du auf der gesellschaftlichen Leiter hinabsteigen!«
»Wie unfreundlich ihr beide seid – und ihr behauptet doch, mich lieb zu haben. Da komme ich zu euch – das erstemal seit des armen Arno Tode – mit der Nachricht, daß ich mich vollkommen glücklich fühle, und anstatt euch dessen zu freuen, sucht ihr allerlei Vergällungsgründe hervor – und was für welche: Militarismus, Jehovah, soziale Leiter!«
Nach einem halben Stündchen war es mir doch gelungen, die alten Leute einigermaßen umzustimmen. Ich hatte mir – nach der Tags zuvor gehaltenen Rede zu schließen – den Widerstand meines Vaters viel heftiger gedacht. Vermutlich würde er auch, falls meinerseits bloße Absicht und Neigung vorgelegen hätte, energisch versucht haben, Absicht und Neigung zu ersticken; aber dem » fait accompli « gegenüber sah er wohl ein, daß Widerstand nichts mehr nützen konnte. Oder war es doch der Einfluß des überströmenden Glücksgefühls, welches in meinen Augen leuchten und in meiner Stimme leben mochte, das seinen Verdruß verscheuchte, und woran er unwillkürlich freudigen Anteil nehmen mußte? – kurz, als ich zum Gehen aufstand und ihm adieu sagte, drückte er einen herzhaften Kuß auf meine Wange und versprach, noch am selben Abend zu mir zu kommen, um daselbst seinen künftigen Schwiegersohn als solchen zu begrüßen.
Wie noch weiter jener Tag und der darauffolgende Abend verlief – schade, daß die roten Hefte es nicht verzeichnet haben. Die Einzelheiten sind nach so langer Zeit meinem Gedächtnis entschwunden – ich weiß nur noch, daß es herrliche Stunden waren.
Zum Tee hatte ich den ganzen Familienkreis um mich versammelt und ich stellte den Meinen Friedrich von Tilling als meinen Verlobten vor.
Rosa und Lilli waren entzückt; Konrad Althaus rief: »Bravo, Martha! – und du, Lilli, nimm dir ein Beispiel daran!« Mein Vater hatte seine frühere Antipathie entweder überwunden, oder es gelang ihm, dieselbe mir zuliebe zu verbergen; und Tante Marie war weich und gerührt:
»Die Ehen werden im Himmel geschlossen,« sagte sie, »und jedem geschieht nach seiner Bestimmung. Mit Gottes Segen werdet ihr glücklich werden und den will ich unermüdlich auf euch herabflehen.«
Auch mein Sohn Rudolf wurde dem künftigen »neuen Papa« vorgestellt, und es war mir ein eigenes Wohl- und Weihegefühl, als der geliebte Mann mein geliebtes Kind in seine Arme hob, es innig küßte und sagte: »Aus dir, kleiner Bursch', werden wir einen ganzen Mann machen.«
Im Laufe des Abends brachte mein Vater seine Idee in betreff des Quittierens zur Sprache:
»Sie werden jetzt vermutlich Ihre Karriere aufgeben, Tilling? Da Sie ohnehin kein Freund des Krieges sind –«
Friedrich warf mit überraschter Miene den Kopf zurück: »Meine Karriere aufgeben? Ich habe ja keine andere ... Und man braucht doch kein Freund vom Kriege zu sein, um den Militärdienst zu leisten, ebensowenig wie man –«
»Ja, ja,« unterbrach mein Vater, »das sagten Sie schon
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