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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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neulich: ebensowenig wie ein Feuerwehrmann ein Liebhaber von Feuersbrünsten zu sein braucht –«
    »Ich könnte noch mehr Beispiele anführen: ebensowenig wie ein Arzt den Krebs und den Typhus lieben, oder ein Richter ein besonderer Verehrer von Einbruchsdiebstählen sein muß. Aber meine Laufbahn aufgeben? Was hätte ich für eine Veranlassung dazu?«
    »Veranlassung wäre,« sagte Tante Marie, »Ihrer Frau das Garnisonleben zu ersparen – und die Angst zu ersparen, falls ein Krieg ausbricht ... Obgleich diese Angst ein Unsinn ist; denn wenn es einem bestimmt ist, alt zu werden, so lebt er lange, trotz aller Gefahren.«
    »Die genannten Gründe wären freilich gewichtig. Meiner künftigen Gefährtin die Unannehmlichkeit des Lebens so viel als möglich fernzuhalten, wird ja mein eifrigstes Bestreben sein; aber die Unannehmlichkeit, einen Mann zu haben, der berufs- und beschäftigungslos wäre, müßte doch noch größer sein, als diejenige des Garnisonlebens. Und die Gefahr, daß mein Rücktritt von irgend jemand als Faulheit oder Feigheit ausgelegt werden könnte, wäre doch noch schlimmer, als die Gefahren eines Feldzuges. Mir ist der Gedanke wirklich keinen Augenblick gekommen ... Hoffentlich auch Ihnen nicht, Martha?« (Vor Leuten hatten wir das »Du« wieder eingestellt.)
    »Und wenn ich es als Bedingung stellte?«
    »Das werden Sie nicht. Denn sonst müßte ich auf das höchste Glück verzichten. Sie sind reich – ich besitze nichts als meine militärische Charge, als die Aussicht auf künftige höhere Rangstufen – und diesen Besitz gebe ich nicht her. Es wäre gegen alle Würde, gegen meine Begriffe von Ehre –«
    »Brav, mein Sohn ... jetzt bin ich ausgesöhnt. Es wäre Sünd' und Schand' um Ihre Laufbahn. Sie haben gar nicht mehr weit zum Obersten und bringen es sicher zum General – können schließlich Festungskommandant, Gouverneur oder Kriegsminister werden. Das gibt auch der Frau eine angenehme Stellung.«
    Ich schwieg still. Um die Aussicht, Frau Kommandantin zu werden, war es mir gar nicht zu tun. Am liebsten wäre es mir gewesen, mit dem Manne meiner Wahl das Leben in ländlicher Zurückgezogenheit zu verbringen; dennoch waren mir seine eben geäußerten Entschlüsse lieb. Denn sie bewahrten ihn von dem Makel des Verdachtes, welchen mein Vater gegen ihn gehegt, und der ihn sicherlich auch in den Augen der Welt getroffen hätte.
    »Ja, ganz ausgesöhnt« – fuhr mein Vater fort. »Denn aufrichtig, ich glaubte, es sei Ihnen hauptsächlich darum zu tun ... nun, nun – Sie brauchen nicht so wütend zu schauen – ich meine: nebenbei darum zu tun, sich ins Privatleben zurückzuziehen, und da hätten Sie sehr unrecht getan. Auch meiner Martha gegenüber – die ist nun schon einmal ein Soldatentenkind, eine Soldatenwitwe – und ich glaube kaum, daß sie einen in Zivilkleidern auf die Dauer lieb haben könnte.«
    Jetzt mußte Tilling lächeln. Er warf mir einen Blick zu, welcher deutlich sagte: Ich kenne dich besser, und antwortete laut:
    »Das glaube ich auch: sie hat sich eigentlich nur in meine Uniform verliebt.«
    * * *
    Im September desselben Jahres fand unsere Trauung statt.
    Mein Bräutigam hatte sich für die Hochzeitsreise einen zweimonatlichen Urlaub erwirkt. Unsere erste Etappe war Berlin.
    Ich hatte den Wunsch geäußert, einen Kranz auf das Grab von Friedrichs Mutter niederzulegen und unsere Reise mit diesem Pilgerzug zu eröffnen.
    In der preußischen Hauptstadt hielten wir uns acht Tage auf. Friedrich machte mich mit seinen dort lebenden Verwandten bekannt, und alle erschienen mir als die liebenswürdigsten Leute von der Welt. Freilich – wenn man eben die rosafarbenen Brillen trägt, durch die man während der Honigwochen die Außenwelt zu betrachten pflegt, da findet man alles lieb und schön. Zudem wird neuvermählten Paaren allseitig mit heiterer und freundlicher Zuvorkommenheit begegnet: alles hält sich für verpflichtet, auf ihre ohnedies so blühenden Pfade immer neue Rosen zu streuen.
    Was mir an den Norddeutschen besonders wohlgefiel, war die Sprache. Nicht nur, weil dieselbe den Akzent meines Mannes aufwies – eine seiner Eigentümlichkeiten, in welche ich mich zuerst verliebt hatte – sondern weil sie mir, im Vergleich zu der in Österreich üblichen Redeweise, ein höheres Bildungsniveau zu bekunden schien; oder vielmehr, nicht nur schien , sondern in der Tat bekundete. Grammatikalische Verstöße, wie solche die Umgangssprache der besseren Wiener Kreise

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