Die Waffen nieder!
und zu bleiben befahlst – da habe ich verstanden, daß du mir gewogen bist – daß ich dir mein Leben weihen dürfe.«
»Also, wenn ich mich nicht selber dir ›an den Hals geworfen‹ – du hättest dich nicht um mich bemüht?«
»Du hast eine große Anzahl Bewerber – unter diesen Haufen würde ich mich nicht gemischt haben.«
»Ach, die zählen ja nicht. Die meisten haben es doch nur darauf abgesehen, die reiche Witwe –«
»Siehst du – mit diesen Worten ist die Schranke bezeichnet, die mich von der Bewerbung abhielt: eine reiche Witwe – und ich – ganz ohne Vermögen. Lieber an unglücklicher Liebe zu Grunde gehen, als von der Welt und namentlich von der Frau, die ich anbete, dessen verdächtigt zu werden, wessen du deinen Bewerbertroß soeben beschuldigt hast.«
»O du Stolzer, Edler, Teurer! Ich wäre übrigens nicht imstande, dir einen niedrigen Gedanken zuzumuten« ...
»Woher dieses Vertrauen? Eigentlich kennst du mich ja so wenig.«
Und jetzt forschten wir einander noch weiter aus. Auf diese Frage »seit wann« wir uns liebten, folgten nun die Erörterungen »warum«? Was mich zuerst angezogen, war die Art gewesen, wie er vom Kriege gesprochen hatte. Was ich im stillen gedacht und gefühlt – glaubend, es könne kein Soldat ein Gleiches denken und am allerwenigsten äußern – das hatte er mit größerer Klarheit gedacht, als ich, stärker gefühlt – und ganz freimütig ausgesprochen. So sah ich, wie sein Herz die Interessen seines Standes und sein Geist die Ansichten seiner Zeit überragten. Das war's, was sozusagen die Grundlage meiner ihm geweihten Liebe bildete – daneben gab es für das aufgestellte »warum« noch unzählige »weil«. Weil er eine so hübsche, vornehme Erscheinung besaß; – weil in seiner Stimme ein so sanfter und fester Ton vibrierte; – weil er ein so liebender Sohn gewesen; – weil –
»Und du? Warum liebst du mich?« unterbrach ich meinen Rechenschaftsbericht.
»Aus tausend Gründen und aus einem.«
»Laß, hören. Zuerst die tausend.«
»Das große Herz – der kleine Fuß – die schönen Augen – der glänzende Geist – das sanfte Lächeln – der scharfe Witz – die weiße Hand – die frauenhafte Würde – der wunderbare –«
»Halt ein! Das sollte so bis tausend fortgehen? Da sag' mir lieber den einen Grund.«
»Das ist auch einfacher, denn der eine in seiner Kraft und Unwiderstehlichkeit umfaßt die anderen alle. Ich lieb' dich, Martha, weil, – ich dich liebe. Darum.«
* * *
Vom Prater aus fuhr ich geradewegs zu meinem Vater. Die Mitteilung, die ich ihm zu machen hatte, würde zu unangenehmen Erörterungen Anlaß geben, das sah ich voraus. Doch ich wollte diese unausbleibliche Unannehmlichkeit sobald als möglich überstanden haben, und ihr lieber noch unter dem ersten Eindruck meines eben erworbenen Glückes die Stirne bieten.
Mein Vater, der ein Spätaufsteher war, saß noch bei seinem Frühstück über den Morgenblättern, als ich in sein Arbeitszimmer eindrang. Tante Marie war gleichfalls anwesend und gleichfalls mit Zeitunglesen beschäftigt.
Bei meinem etwas ungestümen Eintritt blickte mein Vater überrascht von seiner »Presse« auf, und Tante Marie legte ihr »Fremdenblatt« aus der Hand.
»Martha? So früh? Und im Reitkleid – was bedeutet das?«
Ich umarmte die beiden und sagte dann, mich in einen Lehnsessel werfend:
»Das bedeutet, daß ich von einem Ritt im Prater komme, wo etwas vorgefallen ist, das ich euch ohne Aufschub mitteilen wollte. Ich nahm mir daher nicht einmal die Zeit, nach Hause zu fahren und Toilette zu wechseln –«
»Also gar so wichtig und eilig?« fragte mein Vater, indem er sich eine Zigarre ansteckte. »Erzähle, wir sind gespannt.«
Sollte ich weiter ausholen? Sollte ich Einleitungen und Vorbereitungen machen? Nein: lieber kopfüber mich hineinstürzen, wie man vom Sprungbrett sich ins Wasser schwingt –:
»Ich habe mich verlobt –«
Tante Marie schlug die Hände über dem Kopf zusammen und mein Vater runzelte die Stirn:
»Ich will doch nicht hoffen –« begann er.
Aber ich ließ ihn nicht ausreden: »Verlobt mit einem Manne, den ich von Herzen liebe und hochachte, von dem ich glaube, daß er mich vollständig glücklich machen kann – mit Baron Friedrich von Tilling.«
Mein Vater sprang auf:
»Da haben wir's! Nach allem, was ich dir gestern gesagt –«
Tante Marie schüttelte den Kopf:
»Ich hätte lieber einen anderen Namen gehört,« sagte sie. »Erstens ist Baron Tilling
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