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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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Erinnerung hatte – abgerechnet, war ich von Hause nie weggekommen. Dieses Kennenlernen neuer Orte, neuer Menschen und neuen Lebens versetzte mich in gehobenste Stimmung. Die Welt schien mir plötzlich so schön und noch einmal so interessant geworden. Wäre mein kleiner Rudolf nicht gewesen, den ich zurückgelassen hatte, ich würde Friedrich vorgeschlagen haben: »Laß uns jahrelang so herumreisen wie jetzt. Besuchen wir ganz Europa und hernach die übrigen Weltteile; genießen wir diese Wanderexistenz, dieses ungebundene Umherstreifen; sammeln wir Reichtümer neuer Eindrücke und Erfahrungen! Überall, wohin wir kommen – und seien uns Land und Leute noch so fremd – bringen wir ja durch unser Beisammensein ein genügendes Stück Heimstätte mit.« Was hätte mir Friedrich auf solchen Vorschlag geantwortet? Wahrscheinlich, daß man es sich nicht zum Beruf machen kann, bis an sein Lebensende »hochzeitzureisen«, daß sein Urlaub nur zwei Monate dauert und dergleichen vernünftige Sachen mehr.
    Wir besuchten Baden-Baden, Homburg und Wiesbaden. Überall dasselbe fröhliche, elegante Treiben – überall so viele interessante Menschen aus aller Herren Länder. Im Umgang mit diesen Fremden wurde ich erst gewahr, daß Friedrich die französische und englische Sprache vollkommen beherrschte; dies ließ ihn in meiner Bewunderung noch um einen Grad steigen. Immer wieder entdeckte ich neue Eigenschaften an ihm: Sanftmut, Heiterkeit, lebhafteste Empfänglichkeit für alles Schöne. Eine Rheinfahrt setzte ihn in Entzücken, und im Theater oder Konzertsaal, wenn die Künstler Hervorragendes leisteten, leuchtete ihm der Genuß aus den Augen. Dadurch erschien mir der Rhein mit seinen Burgen doppelt romantisch, darum bewunderte ich die Vorträge berühmter Virtuosen doppelt.
    Diese zwei Monate vergingen leider viel zu schnell. Friedrich kam um Verlängerung seines Urlaubs ein, wurde aber abschlägig beschieden. Das war mir seit unserer Verheiratung der erste Moment des Ärgers, als dieses offizielle Papier anlangte, welches im trockenen Stile unsere Heimkehr befahl.
    »Und das nennen die Menschen Freiheit!« rief ich, das beleidigende Dokument auf den Tisch schleudernd.
    Tilling lächelte. »O, ich bilde mir nicht im mindesten ein, frei zu sein, meine Herrin,« erwiderte er.
    »Wenn ich deine Herrin wäre, könnte ich dir befehlen, dem Militärdienst Valet zu sagen und nur noch meinem Dienste zu leben.«
    »Über diese Frage waren wir ja einig geworden –«
    »Freilich: ich habe mich fügen müssen, doch das beweist, daß du nicht mein Sklave bist – und das ist mir im Grund recht, mein lieber, stolzer Mann!«
    * * *
    Von unserer Reise zurückgekehrt, rückten wir nach einer kleinen mährischen Stadt – der Festung Olmütz – ein, wo Friedrichs Regiment in Garnison lag. Von geselligem Verkehr war in dem Neste keine Rede, und so lebten wir beide in völliger Zurückgezogenheit. Außer den Stunden, die wir dem Dienst widmeten – er als Oberstleutnant bei seinen Dragonern, ich als Mutter bei meinem Rudolf – widmeten wir uns gegenseitig nur einander. Mit den Damen des Regiments waren die nötigen Zeremonienbesuche und Gegenbesuche ausgetauscht worden, aber auf näheren Umgang ließ ich mich nicht ein; es gelüstete mich nicht im geringsten danach, bei Nachmittag-Kaffeegesellschaften Dienstbotengeschichten und Stadtklatsch zu hören, und ebenso fern hielt sich Friedrich den Spielpartien der Obersten und Trinkgelagen der Offiziere. Da hatten wir besseres zu tun. Die Welt, in der wir uns bewegten – wenn wir des Abends beim brodelnden Teekessel saßen – die war von der Welt der Olmützer Geselligkeitskreise sternenweit entfernt, »Sternenweit« mitunter im buchstäblichen Sinne – denn einige unserer liebsten geistigen Ausflüge waren nach dem Firmament gerichtet. Wir lasen nämlich miteinander wissenschaftliche Werke und unterrichteten uns über die Wunder des Weltalls. Da durchstreiften wir die Tiefen des Erdballs und die Höhen der Himmelsräume; da drangen wir in die Geheimnisse der mikroskopisch unendlichen Kleinheiten und der teleskopisch unendlichen Fernen, und je größer die Welt vor unseren Blicken sich entfaltete, in desto winzigere Dimensionen schrumpfte der Olmützer Interessentenkreis ein. Unsere Lektüre beschränkte sich nicht auf Naturkunde allein, sondern umfaßte noch viele andere Zweige der Forschung und des Gedankens. So nahm ich unter anderem zum dritten Male meinen geliebten Buckle vor, um Friedrich

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