Die Waffen nieder!
– es sollte vaterlos zur Erde kommen? ... Zerstört, zerstört – unser kaum erblühtes, noch so reiche Frucht verheißendes Glück! ... Diese Gefahr in der einen Wagschale, und in der andern? Österreichisches Ansehen im deutschen Bund, schleswig-holsteinische Befreiung – »frische Lorbeerblätter im Ruhmeskranze des Heeres« – das heißt ein paar Phrasen für Schulvorträge und Armeeproklamationen ... und sogar das nur zweifelhaft, denn ebenso möglich wie der Sieg, ist ja die Niederlage ... Und nicht nur einem vereinzelten Leid, dem meinen, wird das vermeintliche vaterländische Wohl entgegengestellt, sondern tausend und abertausend einzelne im eigenen und im Feindeslande müßten denselben Schmerz einsetzen, der mich jetzt durchbebte ... Ach, war denn dem nicht vorzubeugen – war's nicht abzuwehren? Wenn sich alle vereinten – alle Vernünftigen, Guten, Gerechten – um das drohende Übel zu verhüten –
»Sagen Sie mir doch,« wandte ich mich laut an den Minister, »stehen die Dinge wirklich schon so schlimm? Habt Ihr, Minister und Diplomaten, habt Ihr denn solche Konflikte nicht zu vermeiden gewußt, werdet Ihr deren Ausbruch nicht zu verhindern wissen?«
»Glauben Sie denn, Baronin, daß es unseres Amtes ist, den ewigen Frieden zu erhalten? Das wäre allerdings eine schöne Mission – aber unausführbar. Wir sind nur da, über die Interessen unserer respektiven Staaten und Dynastien zu wachen, jeder drohenden Verringerung ihrer Machtstellung entgegenzuarbeiten und jede mögliche Suprematie zu erringen trachten, eifersüchtig die Ehre des Landes hüten, uns angetanen Schimpf rächen –«
»Kurz,« unterbrach ich, »nach dem kriegerischen Grundsatze handeln: dem Feind – das ist nämlich jeder andere Staat – tunlichst zu schaden und, wenn ein Streit entsteht, so lange hartnäckig behaupten, daß man im Recht ist, – auch wenn man sein Unrecht einsieht, nicht wahr?«
»Allerdings.«
»Bis beiden Streitenden die Geduld reißt und drauf losgehauen werden muß ... es ist abscheulich!«
»Das ist doch der einzige Ausweg. Wie anders soll denn ein Völkerstreit geschlichtet werden?«
»Wie werden denn Prozesse zwischen einzelnen gesitteten Menschen geschlichtet?«
»Durch das Tribunal. Die Völker unterstehen aber keinem solchen.«
»Ebensowenig wie die Wilden,« kam mir Doktor Bresser zu Hilfe. » Ergo sind die Völker in ihrem Verkehr noch ungesittet, und es dürfte wohl noch lange Zeit vergehen, bis sie dazu gelangen, ein internationales Schiedsgericht einzusetzen.«
»Dazu wird es nie kommen,« sagte mein Vater. »Es gibt Dinge, die nur ausgefochten und nicht ausprozessiert werden können. Selbst wenn man versuchen wollte, ein solches Schiedsgericht zu errichten – die starken Regierungen würden sich demselben ebensowenig beugen, wie zwei Edelleute, von denen der eine beleidigt worden, ihre Differenz zu Gericht tragen. – Die schicken einander einfach ihre Zeugen und schlagen sich rechtschaffen.«
»Das Duell ist aber auch ein barbarischer, unsittlicher Brauch –«
»Sie werden's nicht ändern, Doktor.«
»Ich werde es aber wenigstens nicht gut heißen, Exzellenz.«
»Was sagst denn du, Friedrich?« wandte sich nun mein Vater an den Schwiegersohn. »Bist du etwa auch der Ansicht, daß man nach einer erhaltenen Ohrfeige zu Gericht gehen soll und um 5 fl. Schadenersatz klagen?«
»Ich würde es nicht tun.«
»Du würdest den Beleidiger fordern?«
»Versteht sich.«
»Aha, Doktor – aha, Martha,« triumphierte mein Vater, »hört Ihr. Auch Tilling, der doch kein Freund des Krieges ist, gibt zu, ein Freund des Duells zu sein.«
»Ein Freund? Das habe ich nie behauptet. Ich sagte nur, daß ich gegebenenfalls selbstverständlich zum Duell greifen würde – wie ich es übrigens auch schon ein und das andere Mal getan; gerade so selbstverständlich, wie ich schon mehreremal in den Krieg gezogen, und bei dem nächsten Anlaß wieder ziehen werde. Ich füge mich den Satzungen der Ehre. Damit will ich aber keineswegs gesagt haben, daß diese Satzungen, wie sie unter uns bestehen, meinem sittlichen Ideal entsprechen. Nach und nach, wenn dieses Ideal die Herrschaft gewinnt, wird der Begriff der Ehre auch eine Wandlung erfahren: einmal wird eine erhaltene Injurie, wenn sie unverdient ist, nicht auf den Empfänger, sondern auf den rohen Geber als Schmach zurückfallen; zweitens wird das Selbsträcheramt auch in Sachen der Ehre ebenso außer Gebrauch kommen, wie in kultivierter Gesellschaft
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