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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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war nur Exzellenz »Allerdings« und Doktor Bresser anwesend. Als wir da in dem altbekannten Speisezimmer bei Tische saßen, mußte ich lebhaft jenes Abends gedenken, wo uns beiden unsere Liebe zuerst deutlich ins Bewußtsein getreten. Doktor Bresser hatte denselben Gedanken:
    »Erinnern Sie sich noch der Piketpartie, die ich mit Ihrem Herrn Vater spielte, während Sie am Kamin mit Baron Tilling plauderten?« fragte er mich. »Ich sah aus, nicht wahr, als wäre ich ganz in mein Spiel vertieft, aber dennoch hatte ich mein Ohr in Ihrer Richtung gespitzt und hörte aus dem Klang der Stimmen – die Worte konnte ich nicht vernehmen – ein gewisses Etwas heraus, welches in mir die Überzeugung weckte: Die zwei werden ein Paar. Und wenn ich Sie jetzt miteinander beobachte, so steigt mir eine neue Überzeugung auf, nämlich: Die zwei sind und bleiben ein glückliches Paar.«
    »Ich bewundere Ihren Scharfsinn, Doktor. Ja, wir sind glücklich. Ob wir es bleiben? Das hängt leider nicht von uns ab, sondern vom Schicksal ... Über jedem Glück schwebt eine Gefahr, und je inniger das erste desto grausiger die letzte.«
    »Was können Sie fürchten?«
    »Den Tod.«
    »Ah so. Der war mir gar nicht eingefallen. Ich habe zwar als Arzt öfters Gelegenheit, dem Gesellen zu begegnen – aber ich denke nicht daran. Der liegt ja bei gesunden und jungen Leuten, wie das in Rede stehende glückliche Paar, in so entrückter Ferne –«
    »Was nützt dem Soldaten Jugend und Gesundheit?«
    »Verscheuchen Sie solche Ideen, liebste Baronin. Es ist ja kein Krieg in Sicht. Nicht wahr Exzellenz,« wandte er sich an den Minister, »gegenwärtig ist am politischen Himmel der mehrfach erwähnte schwarze Punkt nicht zu sehen?«
    »Punkt ist viel zu wenig gesagt,« antwortete der Befragte. »Es ist vielmehr eine schwarze, schwere Wolke.«
    Ich erbebte bis ins Innerste:
    »Was? wie? was meinen Sie?« rief ich lebhaft.
    »Dänemark treibt es gar zu bunt« ...
    »Ah so, Dänemark,« sagte ich erleichtert. »Die Wolke droht also nicht uns? Es ist mir zwar unter allen Umständen betrübend, wenn ich höre, daß man sich irgendwo schlagen will – aber wenn es die Dänen sind und nicht die Österreicher, dann flößt mir das wohl Beileid, aber keine Furcht ein.«
    »Du brauchst dich auch nicht zu fürchten,« fiel mein Vater lebhaft ein, »falls Österreich sich beteiligt. Wenn wir die Rechte Schleswig-Holsteins gegen die Vergewaltigung Dänemarks verteidigen, so riskieren wir ja nichts dabei. Es handelt sich da um kein österreichisches Territorium, dessen Verlust ein unglücklicher Feldzug herbeiführen könnte –«
    »Glaubst du denn, Vater, daß – wenn unsere Truppen aufmarschieren müßten – ich an solche Dinge, wie österreichisches Territorium, schleswig-holsteinsche Rechte und dänische Vergewaltigung dächte? Ich sähe bloß eins: die Lebensgefahr unserer Lieben. Und die bleibt gleich groß, ob nun aus diesem oder jenem Grund Krieg geführt wird.«
    »Die Schicksale der einzelnen kommen nicht in Betracht, mein liebes Kind, wo es sich um weltgeschichtliche Ereignisse handelt. Bricht ein Krieg aus, so verstummen die Fragen, ob der oder der dabei fällt, oder nicht, vor der einen gewaltigen Frage, was das eigene Land dabei gewinnen oder verlieren wird. Und wie gesagt: wenn wir uns mit den Dänen raufen, so ist nichts zu verlieren dabei, wohl aber unsere Machtstellung im deutschen Bund zu erweitern. Ich träume immer, daß die Habsburger noch einmal die ihnen gebührende deutsche Kaiserwürde zurückerlangen. Es wäre auch ganz in der Ordnung. Wir sind der bedeutendste Staat im Bunde! die Hegemonie ist uns gesichert – aber das genügt nicht... Ich würde den Krieg mit Dänemark als eine sehr günstige Gelegenheit begrüßen, nicht nur die Scharte von 59 auszuwetzen, sondern auch unsere Stellung im deutschen Bunde so zu gestalten, daß wir für den Verlust der Lombardei reichen Ersatz finden und – wer weiß – so an Macht gewinnen, daß uns die Rückeroberung dieser Provinz ein leichtes wäre.«
    Ich blickte zu Friedrich hinüber. Er hatte sich an dem Gespräche nicht beteiligt, sondern war in eine eifrige lachende Unterhaltung mit Lilli verwickelt. Ein stechender Schmerz schnitt mir durch die Seele: ein Schmerz, der in ein Bündel zwanzig verschiedene Vorstellungen vereinte: Krieg ... und er, mein alles, mußte mit ... verkrüppelt, erschossen ... das Kind unter meinem Herzen, dessen angekündigtes Kommen er gestern mit solchem Jubel begrüßt

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