Die Waffen nieder!
Zukunft aus dem Bewußtsein und auch ich versenkte mich in den süßen Frieden des Augenblicks.
* * *
Am 10. Januar kehrten wir nach Olmütz zurück.
Niemand zweifelte mehr an dem Ausbruch des Krieges. In Wien hatte ich noch vereinzelte Stimmen vernommen, welche meinten, daß die dänisch-holsteinische Frage vielleicht doch noch auf diplomatischem Wege beigelegt werden könne; aber in den militärischen Kreisen unserer Festungsbesatzung galt die Friedensmöglichkeit für ausgeschlossen. Unter den Offizieren und ihren Frauen herrschte eine aufgeregte, aber zumeist freudig aufgeregte Stimmung: Gelegenheit zu Auszeichnung und Avancement in Sicht – zur Befriedigung des Tatendurstes des einen, des Ehrgeizes des zweiten, des Gage-Erhöhungsbedürfnisses des dritten.
»Das ist ein famoser Krieg, der sich da vorbereitet,« sagte der Oberst, bei dem wir nebst mehreren anderen Offizieren samt Gemahlinnen zu Tisch geladen waren, »ein famoser Krieg, der auch ungeheuer populär sein wird Keine Gefahr für unser Territorium – auch der Landbevölkerung erwächst kein Schaden, denn der Kriegsschauplatz liegt auf fremdem Gebiet. Unter solchen Umständen ist es wirklich eine doppelte Lust, sich zu schlagen.«
»Was mich daran begeistert,« sagte ein junger Oberleutnant, »ist das edle Motiv: unterdrückte Rechte unserer Brüder verteidigen. Daß die Preußen mit uns gehen, oder vielmehr wir mit ihnen, das sichert uns erstens den Sieg und zweitens wird es die nationalen Bande noch enger verknüpfen. Die Nationalitätsidee –«
»Reden Sie lieber nichts von der,« unterbrach der Regimentschef etwas strenge. »Für einen Österreicher schickt sich dieser Schwindel nicht wohl. Der war's, der uns den 59er Krieg heraufbeschworen hat, denn auf diesem Steckenpferd, »ein italienisches Italien«, ist ja Louis Napoleon stets herumgeritten. Und überhaupt paßt dieses ganze Prinzip nicht für Österreich; Böhmen, Ungarn, Deutsche, Kroaten – wo ist da das Nationalitätsband? Wir kennen nur ein Prinzip, das uns vereint, das ist die loyale Liebe zu unserer Dynastie. Was uns also begeistern soll, wenn wir zu Felde ziehen, ist nicht der Umstand, daß wir für Deutsche und mit Deutschen kämpfen, sondern daß wir unserem erhabenen und geliebten Kriegsherrn Heeresfolge leisten dürfen. Es lebe der Kaiser !«
Alle erhoben sich und taten stehend Bescheid. Ein Funken Begeisterung fiel auch mir ins Herz und erfüllte es – einen Augenblick aufflammend – mit wohltuender Wärme. Eine und dieselbe Sache, eine und dieselbe Person lieben, wenn man Tausend ist, das gibt eine eigentümliche, vertausendfachte Hingebungslust ... Das ist's, was als Loyalität, als Patriotismus, als Korpsgeist die Herzen schwellt. Es ist nichts anderes als Liebe, und die wirkt so mächtig, daß einem das in ihrem Namen gebotene Werk des Hasses – das allerscheußlichste Werk des tödlichsten Hasses, der Krieg – als erfüllte Liebespflicht erscheint.
Aber nur einen Augenblick hatte es in meinem Herzen so geglüht, denn eine stärkere Liebe als die zu allen erdenklichen Vaterländern und Landesvätern ruhte in dessen Grunde – die Liebe zu meinem Mann. Sein Leben war mir doch das höchste aller Güter, und wenn dieses aufs Spiel gesetzt werden sollte, konnte ich die Partie – gelte es nun Schleswig-Holstein oder Japan – nur verwünschen.
Die jetzt folgende Zeit lebte ich in unerhörtem Bangen. Am 16. Januar stellten die Bundesmächte an Dänemark das Ansinnen, ein gewisses Gesetz, gegen welches die Holsteinische Ständeversammlung und Ritterschaft den Schutz des Bundes anrief, aufzuheben, und zwar innerhalb vierundzwanzig Stunden. Dänemark verweigerte dies. Wer wird auch so sich befehlen lassen? Diese Weigerung war natürlich vorausgesehen worden, denn schon standen preußische und österreichische Truppen an den Grenzen postiert, und am 1. Februar überschritten sie die Eider.
So waren denn die blutigen Würfel wieder gefallen – die Partie begann. Dies veranlaßte meinen Vater, einen Gratulationsbrief an uns zu richten.
»Freut euch, Kinder,« schrieb er. »Jetzt haben wir doch Gelegenheit, die erhaltenen Schläge von 59 wieder gut zu machen, indem wir den Dänen Schläge geben. Wenn wir von Norden siegreich heimkehren, so können wir uns auch wieder nach Süden wenden: die Preußen bleiben unsere ... Druck unleserlich ... und dann können uns die schäbigen Italiener samt ihrem intriganten Louis Napoleon nicht mehr auskommen.«
Friedrichs Regiment,
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