Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
Vom Netzwerk:
die Selbstjustiz in anderen Dingen tatsächlich schon verschwunden ist. Bis dahin –«
    »Da können mir lange warten,« unterbrach mein Vater. »So lange es überhaupt Edelleute gibt –«
    »Das muß auch nicht immer sein,« meinte der Doktor.
    »Oho, Sie wollen gar den Adel abschaffen, Sie Radikaler?« rief mein Vater.
    »Den feudalen allerdings. ›Edelleute‹ braucht die Zukunft keine.«
    »Desto mehr Edelmenschen,« bekräftigte Friedrich.
    »Und diese neue Gattung wird Ohrfeigen einstecken?«
    »Sie wird vor allem keine austeilen.«
    »Und sich nicht verteidigen, wenn der Nachbarstaat einen kriegerischen Einfall macht?«
    »Es wird keine einfallenden Nachbarstaaten geben – ebensowenig als jetzt unsere Landsitze von feindlichen Nachbarburgen umgeben sind. Und wie der heutige Schloßherr keinen Troß bewaffneter Knappen mehr braucht –«
    »So soll der Zukunftsstaat des bewaffneten Heeres entraten können? Was wird denn aus Euch Oberstleutnants?«
    »Was ist aus den Knappen geworden?«
    So hatte sich der alte Streit wieder einmal entsponnen und derselbe wurde noch eine Zeit lang fortgesetzt. Ich hing mit Entzücken an Friedrichs Lippen; es tat mir unsäglich wohl, die Sache erhöhter Gesittung von ihm so fest und sicher vertreten zu sehen, und im Geiste verlieh ich ihm selber den Titel, den er vorhin genannt hatte: »Edelmensch«!

Drittes Buch.
1864.
    Wir blieben nach vierzehn Tage in Wien. Es war aber keine fröhliche Urlaubszeit für mich. Dieses fatale »Krieg in Sicht«, welches nunmehr alle Zeitungen und alle Gespräche ausfüllte, benahm mir jede Lebensfreudigkeit. So oft mir etwas von den Dingen einfiel, aus welchen mein Glück zusammengesetzt war – vor allem der Besitz des mir täglich teurer werdenden Gatten – so oft mußte ich auch an die Unsicherheit denken, an die unmittelbare Gefahr, welche der in Aussicht stehende Krieg über mein Glück verhängte. Ich konnte desselben, wie man zu sagen pflegt, »nicht froh werden«. Der Zufälligkeiten von Krankheit und Tod, von Feuersbrunst und Überschwemmungen – kurz, der Natur- und Elementardrohungen gibt es genug; aber man hat sich gewöhnt, nicht mehr daran zu denken, und lebt trotz dieser Gefahren in einem gewissen Stabilitätsbewußtsein. Doch wozu haben die Menschen sich auch noch willkürlich selbst verhängte Gefahren geschaffen, und so den ohnehin vulkanischen Boden, auf den ihr Erdenglück gebaut ist, noch eigenmächtig und mutwillig in künstliches Schwanken versetzt! Zwar haben sich die Leute daran gewöhnt, auch den Krieg als Naturereignis zu betrachten und ihn als vertragsaufhebend in einer Linie mit Erdbeben und Wassersnot zu nennen – daher auch so wenig als möglich daran zu denken. Aber ich konnte mich in dieser Auffassung nicht mehr finden. Jene Frage: »Muß es denn sein?« von welcher einst Friedrich gesprochen, die hatte ich mir in bezug auf den Krieg oft mit »Nein« beantwortet; und statt Resignation empfand ich dann Schmerz und Groll – ich hätte ihnen allen zurufen wollen: »Tut es nicht! – tut es nicht!« Dieses Schleswig-Holstein und die dänische Verfassung – was ging denn das uns an? Ob der »Protokoll-Prinz« die Grundgesetze vom 13. November 1863 aufhob oder bestätigte – was war denn das uns? Aber da waren alle Blätter und Gespräche nur immer voll von Erörterungen über diese Frage, als wäre das das Wichtigste, Entscheidenste, Weltumwälzendste, was sich denken läßt, so daß die Frage: »Sollen unsere Männer und Söhne totgeschlagen werden oder nicht?« daneben gar nicht aufkommen durfte. Ich könnte mich damit nur versöhnen, wenn mir der Begriff »Pflicht« so recht vor die Seele trat. Nun ja: – wir gehörten zum deutschen Bunde und mit den verbündeten deutschen Brüdern im Verein mußten wir für die Rechte unterdrückter deutscher Brüder kämpfen. Das Nationalitätsprinzip war vielleicht doch etwas, das mit elementarer Kraft Betätigung erheischte – von diesem Standpunkte aus also mußte es sein ... Beim Anklammern an diese Idee ließ der schmerzliche Groll in meiner Seele ein wenig nach. Hätte ich voraussehen können, wie zwei Jahre später diese ganz deutsche Verbrüderung in bitterste Feindschaft sich auflösen sollte; wie dann der Preußenhaß in Österreich noch viel wütender angefacht würde, als jetzt der Dänenhaß – so hätte ich damals schon erkannt, wie ich das seither erkennen gelernt, daß die Motive, die als Rechtfertigung der Feindseligkeiten angeführt werden, nichts als

Weitere Kostenlose Bücher