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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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zur großen Enttäuschung des Obersten und des Offizierkorps, war nicht zur Grenze entsendet worden. Dies brachte uns ein väterliches Kondolenzschreiben ein:
    »Ich bedaure aufrichtig, daß Tilling das Pech hat, gerade bei einem Regiment zu dienen, welches nicht berufen war, den so glorreich sich anlassenden Feldzug zu eröffnen; übrigens besteht ja immer noch die Möglichkeit, das es zum Nachrücken bestimmt werde, Martha wird der Sache freilich die gute Seite abgewinnen und sich freuen, daß ihr die Angst um den geliebten Mann erspart bleibt, und auch Friedrich ist eingestandenermaßen selber kein Freund des Krieges; aber ich denke, er ist nur im Prinzip dagegen, das heißt: es wäre ihm aus sogenannten ›humanitären‹ Gründen lieber, wenn es zu keiner Schlacht käme; ist es aber einmal dazu gekommen, so wollte er wohl auch lieber dabei sein, da regt sich wohl die männliche Kampfeslust. Es sollte wirklich immer die ganze Armee gegen den Feind geschickt werden; in solchen Zeiten zu Hause bleiben zu müssen, ist für den Soldaten doch gar zu hart.«
    »Trifft es dich hart, mein Friedrich, bei mir zu bleiben?« fragte ich, nachdem ich den Brief gelesen.
    Er drückte mich an sein Herz. Diese stumme Antwort genügte mir.
    Aber was half's? Um meine Ruhe war es doch geschehen. Jeden Tag konnte der Marschbefehl kommen. Würde der unselige Krieg nur schnell zu Ende geführt! ... Mit größtem Eifer las ich in den Zeitungen die Berichte vom Kriegsschauplatz und wünschte heiß, daß die Verbündeten rasche und entscheidende Siege erfochten. Ich gestehe es, der Wunsch war nicht vor allem ein patriotischer. Lieber war es mir immerhin, wenn der Sieg auf unserer Seite blieb; aber was ich von diesem erhoffte, war die Beendigung des Kampfes, ehe mein Alles in der Welt dahin entsendet werde, in zweiter Linie erst der Triumph meiner Landsleute und in allerletzter Linie die Interessen des »meerumschlungenen« Stück Landes. Ob nun Schleswig zu Dänemark gehörte oder nicht, was in aller Welt konnte mich das anfechten? Und schließlich – was focht es die Dänen und die Schleswig-Holsteiner selber an? Sahen denn die beiden Völker nicht ein, daß es nur ihre Lenker waren, welche um Lande und Machtbesitz sich stritten, daß es in diesem Falle zum Beispiel nicht um ihr Wohl und Wehe, sondern um die Gelüste des Protokoll-Prinzen und des Augustenburgers sich handelte? Wenn mehrere Hunde um ein paar Knochen sich raufen, so zerfleischen einander doch nur die Hunde; in der Völkergeschichte sind es aber meist die dummen Knochen selber, welche aufeinander losschlagen und sich gegenseitig zertrümmern, um für die Rechte der sie begehrenden Streiter zu kämpfen. »Mich will Azor haben« – und »Auf mich hat Pluto Anspruch« – »Ich protestiere gegen Karos – ... Druck unleserlich ... und »Ich rechne es mir zur Ehre, von Minka gefressen zu werden,« sagen die Knochen. »Dänemark bis zur Eider,« riefen die dänischen Patrioten. Wir wollen Friedrich von Augustenburg zum Herzog,« riefen die Loyalen von Holstein. Unsere Zeitungsartikel und Gespräche unserer Kannegießer waren natürlich alle von dem Grundsatz durchdrungen, daß die Sache, für welche »Wir« eingetreten, die gerechtere, die einzig »historisch entwickelte«, die einzig für Erhaltung des »europäischen Gleichgewichts« erforderliche war. Natürlich wurde in den Leitartikeln und den politischen Unterhaltungen in Kopenhagen das gegenteilige Prinzip mit gleichem Nachdruck verfochten. Warum nicht gegenseitig die Rechte abwägen, um sich zu verständigen, und wenn dies nicht gelingt, eine dritte Macht zum Schiedsrichter machen? Warum nur immer beiderseitig schreien: »Ich – ich bin im Rechte.« Sogar gegen die eigene Überzeugung schreien, so lange, bis man sich heiser geschrien, und losschlägt – die Entscheidung der Gewalt überlassend? Ist das nicht Wildheit? Und wenn nun eine dritte Macht sich in den Streit mischt, so tut auch sie es nicht mit Rechtserwägung und Urteilsspruch, sondern gleichfalls mit Dreinschlagen? ... Und das nennen die Leute »äußere Politik«? Äußere und innere Roheit ist es – staatskluge Schildbürgerei – internationale Barbarei – – –
    * * *
    Mit solcher Bestimmtheit faßte ich wohl damals die Ereignisse noch nicht in diesem Lichte auf. Nur momentan erwachten mir derlei Zweifel, und dann gab ich mir Mühe, dieselben zu verscheuchen. Ich versuchte, mir einzureden, daß das geheimnisvolle Ding, »Staatsraison« genannt, ein

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