Die Waffenhändler von Hamor
bringen, den Sonnenstein des Palasts des Lichts so mit Blut beflecken, dass es für alle Ewigkeit sichtbar bliebe.«
»Ich habe gelernt, so wie Ihr das auch getan habt – oder noch tun werdet –, dass ›niemals‹ und ›niemand‹ sehr gefährliche Worte sind, und jene, die sie oft aussprechen, müssen auch oft schlucken.«
»Ich verbeuge mich vor Eurer Weisheit.« Der Zweite Magier verneigt den Kopf und verharrt wartend in dieser Stellung.
»Ihr könnt gehen.« Erschöpfung ist aus den Worten Chyenfels zu hören und er nickt dem jüngeren Magier zu.
»Ich danke Euch und wünsche Euch eine angenehme Ruhe.« Kharl steht auf und verbeugt sich, bevor er sich umdreht und das karge Arbeitszimmer verlässt.
Die sonnengoldenen Augen des Ersten Magiers folgen ihm mit der Macht des noch immer geballten Chaos. Ein leichtes Lächeln umspielt Chyenfels Lippen.
LIV
A m späten Nachmittag betritt Lorn den vorderen Flur und den Eingangsbereich des viereckigen Turmes in Inividra, die Satteltaschen über der Schulter, Säbel am Gürtel und die Winterjacke noch geschlossen. Er nickt Nesmyl zu. »Wir sind zurück.«
»Ja, Ser. Waren Barbaren zu sehen?«
»Nein. Sie wissen auch, dass Winter ist. Nur Lanzenkämpfer waren draußen.« Lorn lacht reuevoll. »Neuigkeiten aus Assyadt?«
»Nein, Ser. Hauptmann Esfayl möchte Euch sprechen. Einer seiner Männer desertierte und man fand ihn in einem kleinen Dorf – mit einer … Unterhalterin.«
Lorn nickt. »Dagegen müssen wir etwas unternehmen.« Da Esfayls Zweite Kompanie nicht für den Patrouillen-Dienst eingeteilt war, reicht es, wenn Lorn den Soldaten mit ein paar Peitschenhieben bestrafen lässt und seinen Sold für eine Jahreszeit kürzt, doch zuvor muss er mit Esfayl darüber sprechen. »Gibt es noch etwas?«
»Nein, Ser.«
»Gut.« Lorn deutet auf die enge Hintertreppe. »Ich werde bis zum Abendessen in meinen Gemächern bleiben.«
»Ja, Ser. Wenn Ihr mich nicht mehr braucht …«
»Geh nur.« Lorn lacht. »Du wirst im nächsten Frühling noch genug lange Tage hier verbringen.«
Nesmyl lächelt, wenn auch nur zögernd, und verbeugt sich.
Lorn trägt sein Gepäck die engen Stufen hinauf. Seine Beine schmerzen vom langen Ritt in der Kälte. Die Patrouille, von der er zusammen mit der Vierten Kompanie nach Inividra zurückgekehrt ist, war zwar nur kurz, doch die Kälte lässt die Zeit endlos erscheinen. Sie sind nicht auf Barbaren gestoßen, was Lorn jedoch schon vorher wusste, und haben auch keine Spuren gefunden. Doch so kann er Dettaur zumindest berichten, dass er tatsächlich mit einer anderen Patrouille geritten ist, denn alles muss nach Dettaurs Wünschen und denen von Kommandant Ikynd geschehen oder zumindest soll es so erscheinen.
In seinen Gemächern angekommen, zieht Lorn die Winterjacke aus. Er ist froh, dass einer der Lanzenkämpfer Brennholz im Ofen nachgelegt hat, sodass die Räume nun angenehm warm sind. Dann stellt er das Gepäck ab, löst den Säbel vom Gürtel und stellt ihn vor den Schrank.
Der müde Sub-Major steht eine Weile am Fuß des Bettes und versucht die Beine zu strecken. Dann geht er in das kleine Arbeitszimmer, bleibt hinter Stuhl und Schreibtisch stehen und blickt durch die gefrorenen alten Scheiben hinaus. Die grauen Wolken erschweren es einem festzustellen, ob das düstere Licht durch die Wolken verursacht wird oder von der nahenden Dämmerung.
Lorn kräuselt die Lippen und setzt sich wie so oft an den Schreibtisch im oberen Arbeitszimmer des eckigen Turmes und holt die Karten hervor. Er hat noch fast eine Stunde Zeit bis zum Abendessen und erledigt lieber sinnvolle Arbeit, als öde Patrouillen zu reiten, die ein rachsüchtiger Vorgesetzter fordert.
Lorn hält inne. Verhalten sich die Jeranyi nicht auf gewisse Weise genauso wie … Dettaur? Dettaur hat vergessen, dass Lorn ihm aus einem bestimmten Grund den Finger brach; nämlich weil Dettaur alle jüngeren Schüler an der Schule tyrannisierte. Dett erinnert sich nur daran, dass Lorn ihm den Finger gebrochen hat, und nicht an die vielen Verletzungen und Demütigungen, die er anderen zugefügt hat. Die Jeranyi erinnern sich nur an eine Demütigung, die sie vor vielen Jahren erfahren haben, und nicht an die vielen Tausend Toten und Verstümmelten, die sie über Generationen hinweg auf dem Gewissen haben.
Der Sub-Major schiebt diese Gedanken beiseite, so zutreffend sie auch sein mögen, und konzentriert sich auf die Landkarten und seine Pläne, wie er gegen die Barbaren
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