Die Waffenhändler von Hamor
sein wird. Das ist auch die Wahrheit, denn dies ist einer der Orte, in dem sich die Kämpfer versammeln; es sind noch nicht alle dort, doch es werden genug sein und sie haben ihre Pferde bei sich.
Langsam ordnet er die Karten in der gewünschten Reihenfolge, dann rollt er sie auf und bindet sie zu einem einzigen Bündel zusammen.
Morgen werden alle sechs Kompanien der Spiegellanzenkämpfer aus Inividra ausrücken; das hat es noch niemals zuvor gegeben. Den Geschichten und Berichten zufolge hat noch niemand mehr als zwei Spiegellanzenkämpfer-Kompanien zusammengeschlossen, um einen Angriff zu starten, nicht während der letzten Generationen.
Er schürzt die Lippen. Vielleicht findet er irgendwann einmal heraus, warum das so ist, aber im Augenblick kann er nur das tun, was er für das Beste hält, denn die alten Taktiken erweisen sich als immer weniger wirkungsvoll und die Chaos-Türme stehen kurz vor dem Zusammenbruch. Lorn ist schließlich ein Kind Cyads und wird nicht nur daneben stehen und zusehen.
Er lacht leise, jedoch freudlos. Eine echte Wahlmöglichkeit hat er ohnehin nicht, denn würde er Dettaurs Anweisungen folgen, bedeutete das entweder den Tod oder Schande in immer größer werdendem Ausmaß, denn Dettaur versteht sich außergewöhnlich gut auf politische Manöver – viel, viel besser, als Lorn das jemals könnte.
In der Dunkelheit nimmt Lorn erneut das Spähglas heraus und stellt es vor sich auf den Schreibtisch. Sein Kopf schmerzt noch immer leicht vom Gebrauch des Glases am späten Nachmittag, aber er möchte Ryalth und Kerial noch ein letztes Mal sehen, bevor er sein Schicksal dem Chaos überlässt.
Als die Silbernebel zur Seite wabern, sieht er das schlafende Paar, doch schon nach wenigen Augenblicken lässt er das Bild wieder los. Er will ihren Schlaf nicht stören.
Lorn wird zwar das Chaos-Glas, verpackt in dem hölzernen Kästchen, in der Satteltasche mitnehmen, doch er glaubt kaum, dass er die Zeit oder die Ungestörtheit haben wird, um es unterwegs zu benutzen. Auf einem so ausgedehnten Feldzug, wie er ihn geplant hat, wagt er es nicht, das Glas zurückzulassen, nicht, solange Dettaur jeden Schritt, den er tut, beobachtet.
Noch etwas wird ihn auf der Reise begleiten: Ryalths ehrwürdiges Büchlein mit Silbereinband. Er hält es eine Zeit lang in der Hand, bevor er es öffnet. Nicht zum ersten Mal fragt er sich, wie das Buch wohl in die Hände von Ryalths Mutter gelangte und ob das bedeutet – so wie er vermutet –, dass Ryalth fast ebenso ein Kind der Magi’i ist wie er selbst. Er lacht leise, denn die Magi’i „zählen sie beide gewiss nur ungern zu den ihren.
Dann blättert er durch die Seiten, um nachzulesen, ob vielleicht einer der alten Verse seine gegenwärtige Gemütsverfassung widerspiegelt. Er findet einen Vers, dessen Worte ihn in mehrerlei Hinsicht bewegen, so wie das oft der Fall ist, wenn seine Möglichkeiten und Umstände sich verändert haben. Er liest leise vor sich hin.
Wir stehen in einer Welt, die wir nicht kennen, ernten Leben und Tote, die wir nicht säten. Mancher greift nach den Rosen anderer Orte, einer Welt jenseits von Chaos in Zeit und Raum. Mancher erhebt eine Kupferklinge von seltsamer Anmut, um ungeliebte neue Wahrheiten zu zerstören.
Chaos existiert wie die Flüsse und Hügel,
und ich werde mein Leben nach dem Willen des Chaos leben,
denn Spiegeltürme sind aus den Himmeln gestürzt,
in Ehren gehaltene Wahrheiten nur noch Lügen,
wenn sie uns aus unheilvoller Vergangenheit Befehl sind,
Talismane, die nicht ewig währen.
Zu bauen, was neu gebaut werden muss,
und neue Hallen errichten,
zu bewachen, was in leuchtenden Mauern verwahrt werden muss,
zu töten die Dämonen des blinden Hasses -
all das und mehr, das ist mein Schicksal geworden.
Bedaure ich die Sterne, die mich hierher verbannt?
Nicht mehr, als dass das Leben zerbrechlich und vergänglich ist oder dass meine Worte ungelesen sterben,
denn Worte können nicht ausdrücken, was Seelen fühlen.
»›Worte können nicht ausdrücken, was Seelen fühlen …‹«, grübelt Lorn und nickt.
Sein Blick fällt auch auf einen anderen Satz: ›… Dämonen des blinden Hasses‹. Es gibt so viele, die blind und jenseits jeder Vernunft hassen, angefangen bei den Barbaren bis zu Dettaur und zu all denen, die Lorn nicht einmal kennt. Der ehrwürdige Schreiber erwähnte, dass es sein Schicksal sei, diese zu töten. Die anderen Gedichte hingegen zeugen vom Feingefühl dieses
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