Die wahre Koenigin
wollte die Freundschaft des Hochland-Barbaren gewinnen, um dessen Schwächen kennenzulernen und in einem günstigen Moment zuzuschlagen. Das ist seine Taktik, wenn er sich den Besitz eines starken Nachbarn aneignen will.“
„Ich kann es nicht glauben“, sagte Meredith, „bei uns im Lowland erzählt man sich, dass die Highlander Zusammenhalten.“
„Wo gibt es Freundschaft und Treue, wenn es um Besitz und Machterweiterung geht, Mylady? Übrigens hat Mackay es nicht nur auf Brice Campbells Land, sondern vor allem auf seine Titel abgesehen.“
„Titel!“
„Ja, Mylady. Wisst Ihr nicht, dass Campbell auch noch Earl of Kinloch ist? Sein Vater stand bei König James in hoher Gunst, bis er kurz vor seinem Tod in Ungnade fiel. Trotz des Makels an dem Namen Kinloch hält Königin Mary große Stücke auf den jungen Campbell. Für sie ist er ein aufrechter und ritterlicher Edelmann.“ Rowenas Stimme wurde leiser. „Aber in ihrer Umgebung gibt es Leute, die sie zu überzeugen versuchen, Campbell seines Titels zu entheben und sein Land an andere zu vergeben. Anwärter gibt es genug.“
Meredith spürte, dass Rowenas Sympathie Brice gehörte. „Kennt Ihr Brice Campbell?“, fragte sie.
„Oh ja.“ Rowenas Miene belebte sich. „Am Hof von Frankreich gehörte er zu den wenigen, die mich freundlich behandelten.“ Sie lächelte schmerzlich. „Viele Menschen haben Angst vor allem, was nicht normal ist. Aber die allermeisten fühlen sich vom Anblick des Hässlichen beleidigt.“
Meredith empfand tiefes Mitleid für die Frau. „Ihr seid nicht hässlich, Rowena. Wer eine Seele hat, kann niemals hässlich sein.“
Rowena lächelte dankbar. „Meine Mutter versuchte mich damit zu trösten, dass unter meinem Buckel Engelsflügel verborgen seien. Soll ich Euch mehr von Brice Campbell erzählen?“
Meredith nickte. „Ja, Rowena, ich möchte alles über ihn wissen.“
„Als ich auf Catharina de Medicis Befehl den französischen Hof verlassen musste, da erbot sich Brice Campbell, mich zu begleiten. Bei unserer Ankunft versprach Holden Mackay ihm, mich so zu versorgen, wie es einer königlichen Schneiderin zukommt. Aber kaum war Brice auf sein Schloss zurückgekehrt, als der wahre Mackay zum Vorschein kam. Alles, was er mir zubilligte, war die schäbige alte Hütte, in der ich geboren bin. Ich muss mir die Gnadenbissen schnappen, die der gnädige Herr mir zuwirft. Er behandelt mich wie einen unnützen alten Hofhund. Aber so geht er mit all seinen Schutzbefohlenen um. Er befiehlt, und wir müssen gehorchen.“
Meredith schüttelte sich vor Grauen. Sie war entschlossener denn je, diesem Wahnsinnigen zu entfliehen. Koste es, was es wolle.
Rowena stand auf und nahm das weiße Gewand vom Bett. „Ihr solltet Euch beeilen, Mylady. Wenn Euer Herr kommt, müsst Ihr für ihn bereit sein.“
Als sie mit dem Kleid über dem Arm zurückkam, riss sie erschrocken die Augen auf. In Merediths Hand blitzte ein Dolch. „Mylady ...“
„Still!“ Meredith kam näher. „Legt das Kleid hin und zieht Euch aus!“
„My...“
„Sofort, sonst..." Meredith hob drohend den Dolch.
Rowena gehorchte und legte ihre Kleider ab.
„Und jetzt zieht Ihr das da an!“ Meredith zeigte auf das weiße Kleid.
„Aber ... Mylady, da passe ich niemals hinein.“
„Zieht es an!“
Mit zitternden Händen zog die Frau sich das Gewand über den Kopf.
„Und dort setzt Ihr Euch jetzt hin!“, befahl Meredith und zeigte auf eine Bank vor dem Kamin.
Rowena tat, was ihr gesagt wurde. Ängstlich beobachtete sie, wie Meredith wieder in ihre Männerkleider schlüpfte. „Was Ihr vorhabt, ist verrückt, Mylady“, warnte sie.
„Die Wachen werden mich vorbeilassen, wenn ich mich unter Eurem Umhang verstecke.“
„Mag sein. Aber wenn Mackay mich hier allein findet, was dann?“
Meredith überlegte einen Moment. „Streckt die Hände aus!“, befahl sie.
„Mylady, Ihr braucht mich nicht zu fesseln“, sagte Rowena, als Meredith ein Leintuch zerriss und die Streifen um ihre Handgelenke band. „Ich mache alles mit, um Euch bei der Flucht aus diesem Gefängnis zu helfen.“
Ihre Worte überraschten Meredith. Sie sah Rowena forschend an und las in ihren Augen, dass sie es ehrlich meinte. „Ich danke Euch“, sagte sie gerührt. „Ihr müsst nicht denken, dass ich Euch aus Misstrauen fessele. Es geschieht zu Eurem
Schutz. Mackay darf nicht merken, dass Ihr auf meiner Seite steht. Wenn er Euch aber gefesselt und geknebelt findet, dann wird er glauben,
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