Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
bereit, sich dem Vater unterzuordnen, mit anderen Worten.«
»Kann schon sein«, sagte Billy T. ungeduldig. »Aber jedenfalls passiert dann folgendes: Carl-Christian schuftet und schuftet für Hermann. Er macht seine Sache auch gut, zeichnet sich aber nie besonders dabei aus. Der Vater wird langsam ungeduldig. Er weigert sich, dem Sohn die Reederei zu überschreiben, so lange er nicht von dessen Fähigkeiten überzeugt ist.«
»Aber Preben«, fragte Håkon. »Wann ist der nach Hause gekommen?«
»Vor zwei Jahren.«
Billy T. packte den Ordner mit den Zeitungsausschnitten und fing an zu blättern.
»Da hatte er den Laden in Asien verkauft und kam mit reichlich Kohle in der Tasche nach Hause. Der Alte war natürlich noch immer stocksauer und abweisend, bis der verlorene Sohn dann plötzlich eine ziemliche Summe ins Familienunternehmen reinpustete und sich geradezu als Reinkarnation des Vaters entpuppte. Er kriegt eine Chance in der Reederei, und nach zwei oder drei geglückten Transaktionen sonnt er sich wieder in der Gunst des alten Herrn. Der kleine Bruder wird mehr und mehr zur Seite geschoben.«
»Und dann geht der Spaß los«, seufzte Silje.
»Genau. Es hagelt Anklagen. Derzeit laufen zwei Prozesse, weitere könnten bevorstehen.«
»Aber die bleiben uns jetzt ja erspart«, sagte Hanne trocken und gähnte.
»Aber wer ist Nr. 3?« fragte Silje.
»Nr. 3?«
»Du hast gesagt, daß Hermann und Tutta Stahlberg drei Kinder hatten. Welche Rolle spielt das dritte in der ganzen Geschichte?«
»Ach, die … das ist ein Mädchen. Nachkömmling. Eine strahlende Schönheit, soweit ich weiß. Sie ist die Rose der Familie, wird von allen geliebt. Und von niemandem respektiert. Scheint sich wohl als Vermittlerin versucht zu haben, das aber vergeblich. Nach allem, was ich heute nacht herausgefunden habe, scheint sie ihre Zeit vor allem damit zu verbringen, ein gewaltiges Vermögen aus dem Fenster zu schmeißen, das ihr Alter ihr zum 20. Geburtstag geschenkt hat. Hier steht ein bißchen was über sie.«
Wieder war irgendwo in dem Chaos auf dem Schreibtisch ein Klingeln zu hören.
»Sand«, sagte Håkon knapp, als er den Hörer endlich gefunden hatte.
Dann lauschte er drei Minuten lang wortlos. Seine Stirn runzelte sich unter der dicken Brillenfassung. Er fischte einen Kugelschreiber hervor und kritzelte etwas auf seinen Handrücken. Hanne kam es vor wie ein Name.
»Knut Sidensvans«, sagte er langsam, als das Gespräch beendet war. »Das vierte Opfer. Er heißt Knut Sidensvans.«
»Komischer Name«, sagte Billy T. »Und wer ist er?«
»Bisher wissen sie noch nicht viel. Er ist dreiundsechzig und arbeitete als eine Art Verlagslektor. Und Schriftsteller. Ist eigentlich Elektriker.«
Håkon schüttelte verwirrt den Kopf und sagte dann:
»Daß er nicht als vermißt gemeldet worden ist, ist vielleicht kein Wunder. Er lebt allein. Keine Kinder. Stilles, ruhiges Leben, also hätten Tage vergehen können, ehe jemand sich fragt, wo er wohl stecken mag. Aber er hätte heute morgen beim Verlag etwas abliefern sollen, etwas Wichtiges, und deshalb haben sie einen Boten geschickt, als er nicht verabredungsgemäß auftauchte. Und da er nicht aufmachte, dachte der Bote, der Mann sei vielleicht krank, und danach dauerte es nur noch zwei Stunden, bis die Sache aufgeklärt war. Knut Sidensvans ist also das vierte Mordopfer in der Eckersbergs gate.«
»Aufgeklärt«, sagte Billy T. »Von aufgeklärt kann hier ja wohl kaum die Rede sein …«
»Nein. Aber es ist doch ein klarer Fortschritt zu wissen, wer die Opfer überhaupt sind. Findest du nicht?«
Hanne sprang auf.
»Drei Reiche aus dem besten Westend und ein Elektriker, der in einem Verlag arbeitet. Ich freu mich schon darauf zu erfahren, was diese Menschen verbunden hat. Ich fahre jetzt zurück auf die Wache. Falls das alles war, Håkon?«
»Ja. Halt mich auf dem laufenden. Und du … ich freue mich auf den Heiligen Abend. Toll von euch, uns alle einzuladen. Die Kinder freuen sich wie besessen.«
»Tja, dumm gelaufen«, grinste Billy T. »Das sollte doch eine Surprise-Party für Hanne werden. Du hättest nichts verraten dürfen!«
Håkon Sand ließ seinen verwirrten Blick von Hanne zu Billy T. wandern.
»Aber ich … Karen hat nichts gesagt … tut mir leid. Tut mir wirklich leid.«
»Ist schon gut«, sagte Hanne, ohne eine Miene zu verziehen. »Ich wußte das doch längst. Ist schon gut. Natürlich wußte ich das.«
Sie fuhr herum und verließ das Büro des
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