Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
dieser Unbekannte nicht gerade das wichtigste für unsere Ermittlungen«, sagte Billy T. »Hier sind ein paar Informationen über die Familie. Und dabei handelt es sich nur um Zeitungsausschnitte. Außerdem sammeln wir gerade alle Korrespondenz und alle anderen Informationen, die wir auftreiben können. Die Anwälte beider Seiten haben sich natürlich auf die Hinterbeine gesetzt. Der alte Spruch von der Schweigepflicht. Aber am Ende werden wir gewinnen. Und das hier sind jedenfalls öffentlich zugängliche Auskünfte.«
Er warf einen inhaltsreichen Ordner auf Håkon Sands Schreibtisch. Håkon rührte ihn nicht an, sondern gähnte laut.
»Wir wissen alle, daß es in dieser Familie Streit gegeben hat«, sagte er endlich, noch immer, ohne den roten Ordner anzurühren. »Das kommt in den besten Familien vor. Aber deshalb begeht man doch noch keinen Mord.«
Alles schwieg. Silje Sørensen machte sich an ihrem Ring zu schaffen und starrte verlegen zu Boden. Billy T. grinste. Hanne Wilhelmsen starrte Håkon Sand an. Håkon spuckte Tabak in einen Papierkorb. Dann setzte er sich gerade, zog den Sessel an den Tisch heran und seufzte laut.
»Ich spreche nachher mit Kriminalchef Puntvold«, sagte er und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. »Dieser Fall ist so ungeheuer … die Medien haben uns ja schon oft gequält, aber ich glaube, so schlimm war es noch nie. Sie sind jetzt überall. Der Chef meint, wir brauchten ein koordiniertes Vorgehen, das auch die Staatsanwaltschaft und den Polizeibezirk Oslo einbezieht. Schon von Anfang an, meine ich.«
»Und wenn ich mich nicht total irre, wird Jens Puntvold die Kiste wohl schmeißen.«
Hanne lächelte säuerlich. Nach einer Karriere, die bei der Polizei von Bergen begonnen und ihn dann über das Justizministerium ins im Januar 2001 eingerichtete Polizeidirektorat geführt hatte, hatte der stellvertretende Polizeichef und Kriminalchef Jens Puntvold sieben Monate zuvor sein Amt als zweithöchster Polizeibeamter Oslos angetreten. Er war Mitte Vierzig, überaus selbstsicher, blond und kinderlos. Zu allem Überfluß lebte er mit der elegantesten Meteorologin des Senders TV 2 zusammen und trat mit oder ohne Freundin bereitwillig zu jeder Art von Interview an.
Wieder seufzte Håkon, fast demonstrativ. Hanne wußte nicht so recht, ob dieser Seufzer ihr oder Puntvold galt.
»Er spricht immer lobend über die Truppe«, sagte er in tadelndem Tonfall. »Immer, Hanne. Er ist vielleicht zu oft in den Medien zu sehen, na gut, aber die Polizei wurde bisher mit positiver Berichterstattung nicht gerade verwöhnt. Puntvold allein hat es geschafft …«
»Er ist tüchtig«, fiel Hanne ihm ins Wort. »Mich stören nur diese ewigen Aktionen, die er in Gang setzt. Viele sind doch einfach das pure Werben ums Publikum.«
»Das Publikum bestimmt schließlich darüber, welche Mittel uns zur Verfügung stehen«, sagte Håkon. »Aber hören wir auf damit. Ich möchte nur mit euch dreien reden, ehe ich mich mit ihm treffe. Auf jeden Fall wird Annmari Skar als verantwortliche Juristin den Fall begleiten. Ich werde wohl enger mit ihr zusammenarbeiten als sonst, und es wäre mir auch lieb, wenn ihr anruft, sobald sich etwas ergibt. Dieser Fall … oh verdammt.«
Er schüttelte den Kopf und schob einen neuen Priem ein.
»Ich würde gern mal einen Blick in den Ordner werfen«, sagte Silje Sørensen, während Håkon an seiner Oberlippe herumfummelte; der Tabak war trocken und haftete nicht richtig. »Einiges habe ich ja mitgekriegt, hier und da so ein bißchen, aber ich …«
»Ich fasse das gerade mal zusammen«, sagte Billy T. »Da geht es um eine mittelgroße Reederei, Norne Norway Shipping. Hermann Stahlberg ist der Gründer. Hat von 1961 bis heute die ganze Sache aufgebaut. Tüchtiger Mann. Steinhart. Zyniker, falls man den Zeitungskommentaren glauben darf.«
Sein blutig gebissener Finger tippte auf den roten Ordner.
»Der Mann hat drei Kinder. Der Älteste, Preben, ist 1981 zur See gegangen. Hatte sich mit dem Vater gestritten und wollte nicht auf Papas Schiffen anheuern. Einige Jahre darauf geht er dann in Singapur an Land. Macht seinen eigenen Laden auf. Als Schiffsmakler. Das Ganze läuft hervorragend. Hier zu Hause ist er total abgeschrieben. Ein jüngerer Sohn, Carl-Christian, tritt nach und nach an den für den Bruder reservierten Platz in der Reederei. Er ist offenbar umgänglicher als der andere. Aber nicht so vielversprechend.«
»Nicht so stark«, warf Hanne dazwischen. »Eher
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