Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
weiter.«
Beifälliges Gemurmel wurde im Zimmer laut. Alfred sah beleidigt aus.
»Genau das, was ich auch sagen wollte«, erklärte er. »Dann sind wir einer Meinung. Aber es stehen noch andere Themen an. Ein paar Dinge, die geregelt werden müssen. Wie ihr vielleicht bereits wißt, gibt es ein Testament.«
Carl-Christian schloß die Augen. Seit Jennifer ihn am Vorabend angerufen hatte, nachdem die Polizei das Testament vom Nachlaßgericht geholt hatte, hatte er das Gefühl, durch ein Chaos aus widerstrebenden Gefühlen zu wirbeln. Noch hatte er dieses Testament nicht mit eigenen Augen gesehen, aber schon während des Gesprächs mit der Schwägerin hatte er immerhin begriffen, daß er jetzt in ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten steckte. Er war mit einem Nichts abgespeist worden.
Aber das Testament konnte auch seine Rettung bedeuten.
Er hatte durch den Tod seiner Eltern nichts gewonnen. Er mußte behaupten, den letzten Willen seines Vaters schon lange gekannt zu haben. Mabelle hatte das sofort begriffen, sie hatte ihm die ganze Nacht hindurch zugesetzt. Eigentlich hatten sie es sich doch denken können, flüsterte sie, als sie schlaflos im Bett lagen. Sie hatten jedenfalls begriffen, daß sich etwas zusammenbraute, und es war durchaus nicht überraschend, daß der Vater den dramatischen Schritt gegangen war, ihn zu enterben, wenn man die Verhältnisse in Betracht zog. Und da ihnen doch nun einmal aufgegangen war, daß ein solcher Schritt wohl unvermeidlich sein würde, konnte es keine große Lüge sein, zu behaupten, sie hätten es genau gewußt. Mabelle hörte sich überzeugend an, und CC hatte ganz einfach keine Wahl.
»Und ich kenne seinen Inhalt nicht«, sagte Alfred. »Jennifer dagegen«, er wies mit eleganter Geste in Richtung der Witwe, »hat mich bis auf weiteres darüber auch nicht informieren wollen. Aber mir ist immerhin bewußt, daß alles an eine Person fällt … Ich nehme jedoch an, daß wir trotzdem …«
»Also wirklich!«
Das war wieder Andreas. Er runzelte empört die Stirn und breitete die Arme aus.
»Es geht doch nicht, vor der Beisetzung über das Erbe zu diskutieren. Stimmt ihr mir da nicht zu?«
Er schaute sich um. Die anderen nickten, manche sehr eifrig. Alfred wurde tiefrot und rang um Atem.
»Natürlich nicht«, sagte er. »Natürlich nicht. Aber es handelt sich doch trotz allem um eine erfolgreiche Firma, und da ist es in unser aller Interesse, der Sache sorgfältig …«
»Die Reederei kommt zurecht«, erklärte Andreas mit schroffer Stimme. »Es geht ja ohnehin auf keinen Fall um mehr als eine Woche. Wißt ihr mehr darüber, wann die Lei … wann deine Eltern und dein Bruder freigegeben werden?«
Er schaute wohlwollend zu Carl-Christian hinüber, und der schüttelte wortlos den Kopf.
»Na gut«, sagte Andreas. »Aber das kann ja nicht mehr ewig dauern.«
»Ich habe einen Vorschlag.«
Andreas’ Schwester Benedicte stand auf. Sie war knapp fünfundzwanzig und hatte die gleichen blonden Locken wie ihr Bruder. Sie sah verlegen aus, hob aber trotzdem selbstbewußt ihre Stimme.
»Ich schlage vor, daß wir Andreas zum Sprecher der Familie ernennen«, sagte sie und räusperte sich.
Alfred starrte verdutzt in die Runde. Er riß den Mund auf, wie um etwas zu sagen, aber kein Laut kam über seine Lippen. Dann war von der Küchentür her ein vorsichtiges Klatschen zu hören. Der Applaus breitete sich aus, sogar Jennifer löste ihre Arme von ihrem eingeschlafenen Töchterchen und schlug vorsichtig die Hände zusammen.
»Dann ist das abgemacht«, sagte Benedicte zufrieden und wurde rot.
»Und als erstes möchte ich beschließen«, sagte jetzt ihr Bruder, »daß das hier nur ein Treffen ist, keine offizielle Besprechung. CC und Mabelle haben uns gastfreundlich aufgenommen. In der Küche stehen Kuchen und belegte Brote bereit, falls jemand Lust darauf hat. Ich finde, wir sollten ihnen dafür dankbar sein und versuchen, uns einen so schönen Nachmittag zu machen wie überhaupt nur möglich unter diesen Verhältnissen. Jennifer, wenn du sofort nach Hause möchtest, kann ich dich natürlich fahren. I’ll drive you home, if you wish, okay?«
Noch ehe Jennifer antworten konnte, klingelte Carl-Christians Mobiltelefon. Er bat murmelnd um Entschuldigung und zog sich ins Schlafzimmer zurück.
Es war Hermine.
»Habt ihr über das Testament gesprochen?« fragte sie nuschelnd.
»Nur ganz kurz«, flüsterte er, denn er wußte nicht, ob er die Tür wirklich geschlossen hatte. »Aber
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