Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
vergessen«, sagte er. »Ich habe keine Ahnung, was normale Menschen machen. Aber diese Hermine Stahlberg ist ja wohl auch nicht ganz normal.«
Billy T. machte sich an den Schuhen zu schaffen und wäre fast aus dem Gleichgewicht geraten.
»Wie gesagt«, sagte nun Ronny, »diese Stadt schwimmt geradezu in Waffen. Aber wenn du nicht die richtigen Kontakte hast, die dich mit den großen Jungs zusammenbringen, dann kann es sein, daß du dich mit ganz anderen zufriedengeben mußt …«
Er dachte nach.
»Mit Buden-Per zum Beispiel. Kannst du dich an den erinnern? Hatte drüben in Vålerenga einen Waffenladen, total legal, bis ihr ihm das Geschäft vermasselt habt. Jetzt macht er seine Geschäfte meistens im Kleinen. Oder Bjørnar Tofte. Ich glaube, der ist noch immer aktiv. Er ist sogar ziemlich groß. Oder Sølvi. Sølvi Jotun. Die ist sicher am leichtesten zu finden. Aber sie ist so unzuverlässig, daß sie oft über lange Strecken hinweg nichts besorgen kann.«
Billy T. erhob sich mühsam und fuhr sich über den Schädel. Sein Kopf fühlte sich noch immer ganz seltsam an.
»Sølvi … die hängt doch total an der Fixe!«
»Nicht immer. Ungeheuer starke Frau. Sieht aus wie die Hölle, hält aber durch. Verdient ihr Geld, wo sie eben kann.«
Billy T. fror plötzlich. Dann schien plötzlich ein Wärmestrom in seine Arme zu fahren, und wieder mußte er seine Hände anstarren, um sich davon zu überzeugen, daß das Blut nicht aus der Haut quoll.
Sølvi Jotun war mit Snifflappen zusammen. Oder war das jedenfalls gewesen, viele Jahre lang.
»Na gut.«
Er mußte weg. Er brauchte Luft. Er konnte es hier nicht mehr aushalten. Ronny roch nach Obst und Parfüm, und Billy T. mußte weg hier.
»War da was in dem Getränk, das du mir gegeben hast?« stöhnte er, während er an der Türklinke herumfummelte. »Verdammt, Ronny, hast du mir irgendwas gegeben?«
»Nichts Gefährliches. Einfach etwas, das munter macht. Aber mach für ein paar Stunden lieber einen Bogen um deine Kollegen. Ist besser so.«
Seine Stimme klang ruhig. Sanft, mit einem versteckten Lachen. Endlich ging die Tür auf.
Billy T. taumelte die Treppen hinunter. Der Hinterhofgestank schlug ihm entgegen, er kam ihm frisch und vertraut vor, er hielt der Welt sein Gesicht hin und schnappte nach Luft.
In seiner Brusttasche steckte der sorgfältig zusammengefaltete Tippzettel. Ronny hatte ihn hineingeschoben, als Billy T. die Lederjacke übergestreift hatte.
Sølvi Jotun, dachte Billy T. träge.
Er mußte Sølvi Jotun finden.
Carl-Christian bereute es bitterlich, daß er auf den Vorschlag eingegangen war, den Familienrat bei sich zu Hause abzuhalten. Mabelle lief schweigend zwischen den leise redenden Verwandten hin und her und schenkte Kaffee ein. Sie waren bereits zu neunzehnt, und der Himmel mochte wissen, ob nicht noch weitere auftauchen würden. Mabelle sah großartig aus. Die Trauerkleidung stand ihr gut. Normalerweise trug sie niemals Schwarz, das machte sie bleicher, farbloser; der Kontrast zu ihrer hellen Haut und den blonden Haaren paßte nicht. Jetzt aber war sie schön. Ihre Haut wirkte unter dem dunklen Pullover fast kreideweiß, und sie trug ihre Haare offen, frisch gewaschen, sie fielen wie ein Schleier über ihr Gesicht, wenn sie sich vorbeugte, um einem Gast nachzuschenken. Sogar die schwachen, fast unsichtbaren dunklen Ringe unter ihren Augen, die nur teilweise unter dem Make-up verborgen waren, schienen zu passen. Carl-Christian empfand einen seltsamen Stolz, als er sie ansah und zufällig aufschnappte, wie eine Kusine der anderen zuflüsterte:
»Sie wirkt total gebrochen, die Arme. Aber sie ist wunderschön!«
Trotzdem bereute er es. Hier zu Hause hatte er keine Kontrolle über die Dinge. Er konnte nicht aufstehen und seine Wohnung verlassen, wenn alles zu schwer für ihn wurde. Er mußte warten, bis auch der letzte Verwandte es für richtig hielt zu gehen. Er hatte dieses Treffen durchaus nicht bei sich abhalten wollen, aber Alfred hatte darauf bestanden. Die Wohnung in der Eckersbergs gate war ausgeschlossen. Die Polizei hatte sie versiegelt, und es wäre ohnehin absolut unpassend gewesen, hatte Alfred erklärt und danach die ganze Verwandtschaft angerufen und sie zu Carl-Christians Adresse dirigiert.
Mabelle verschwand in die Küche, um ein weiteres Mal die Kaffeemaschine zu füllen. Eine Frau, die Carl-Christian nicht so recht einordnen konnte, lief hinter ihr her. Er sah, daß sie Mabelle leicht und tröstend die Hand auf die
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