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Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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Duftmarken auf der Herrentoilette gerochen zu haben, nämlich Suff und Schweiß, erklärte er und fragte dann, wie sie eigentlich den Heiligen Abend zu verbringen pflegten.
    Endlich gab sie auf und kehrte in ihr eigenes Büro zurück.
    Einige Sekunden lang blieb sie auf der Schwelle stehen. Das Büro lag im Halbdunkel, und irgend etwas war nicht so, wie es sein sollte. Wieder nahm sie bei sich selbst einen Hauch von Angst wahr, vermischt mit einem Widerwillen dagegen, überhaupt hier zu sein, bei der Arbeit. Langsam hob sie die Hand und berührte den Lichtschalter.
    Alles war so, wie es sein sollte. Das Chaos stammte allein von ihr. Trotzdem schien etwas anders zu sein, schien jemand sie zu beobachten, ihr über die Schulter zu blicken.
    »Hallo«, sagte plötzlich jemand, und sie fuhr zusammen.
    »Himmel, Billy T.! Du hast mich aber erschreckt!«
    Er trat ans Fenster und damit in ihr Blickfeld.
    »Im Moment wird es irgendwie nie richtig Tag«, sagte er leise.
    »Es ist Winter, Billy T. Aber jetzt geht es aufwärts. Von jetzt an wird jeder Tag länger.«
    »Ich merke nur, daß ich es nicht mehr so gut vertragen kann.«
    »Den Winter?«
    »Die Dunkelheit. Daß es nie richtig hell wird. Es gibt nur graue und halbherzige Pseudotage. Und dann kommt viel zu früh der Abend. Das macht mich so verdammt müde.«
    Er setzte sich in den Besuchersessel. Hanne ging zu ihm und strich ihm langsam über den Kopf. Seine Haarstoppeln kitzelten ihre Handflächen. In seinem Nacken schob das Fett sich zu zwei kleinen Wülsten zusammen. Er entspannte sich, das merkte sie, er ließ sich zurücksinken und schloß die Augen. Sie drückte seinen Kopf vorsichtig gegen ihren Bauch und massierte mit den Fingerspitzen seine Stirn.
    »Wir kommen in die Jahre, Billy T.«
    Vor dem Fenster sah alles grau aus. Die Temperatur war auf über Null gestiegen. Die Bäume waren schwarz und schneefrei und im langsam vom Fjord hereintreibenden Nebel kaum zu sehen. Der Wind hatte sich gelegt. In einer halben Stunde würde es ganz dunkel sein.
    »Ich habe mich korrumpieren lassen«, sagte er.
    Ein Einsatzwagen jagte zum Grønlandsleiret hinunter. Blaulicht zerriß einige Sekunden lang den Nebel, dann entfernte sich die Sirene in Richtung Innenstadt.
    »Schau her.«
    Er setzte sich aufrecht und zog einen Zettel aus seiner Brusttasche. Hanne nahm ihn zögernd entgegen und faltete ihn auseinander.
    »Ein Tippzettel«, sagte sie fragend.
    »V-75. Pferde. Sieben Richtige. Wert an die hundertfünfzigtausend Kronen.«
    »Aber das ist doch schön. Herzlichen Glückwunsch.«
    Er erhob sich und ging wieder ans Fenster.
    »Zerreiß ihn«, sagte er und lehnte die Stirn an die kalte Glasfläche.
    »Was?«
    »Zerreiß ihn. Ich schaff das nicht selber.«
    »Billy T.…«
    »Zerreiß ihn!«
    Sein Atem zeichnete feuchte, pulsierende Flecken auf das Glas.
    »Das mußt du mir erklären«, sagte sie.
    Er blieb stehen, mit erhobenen Schultern und dazwischen gesenktem Kopf. Jetzt stützte er seine Stirn gegen das Fenster. Hanne schloß vorsichtig die Tür.
    »Billy T., ich will wissen, was das ist.«
    »Ein V-75-Zettel.«
    »Das ist mir schon klar. Aber woher hast du den? Warum soll ich ihn zerreißen?«
    Endlich drehte er sich um. Seine Haut war bleich, und grobe Furchen verliefen entlang der Nasenflügel zu den Mundwinkeln und über das Kinn. Er war unrasiert. Seine Augen saßen tief in ihren Höhlen, es war fast unmöglich, ihre Farbe zu erkennen.
    »Weil ich ihn von einem Obergauner bekommen habe. Von Ronny Berntsen, Hanne. Er hat ihn mir gegeben. Und ich brauche das Geld.«
    Er schlug die Hände vors Gesicht und drehte sich wieder um, jetzt zur Wand. Er schlug mit dem Kopf gegen die Täfelung, wieder und wieder.
    »Oh verdammt, Hanne. Ich brauch das Geld. Zerreiß endlich diesen Scheißzettel!«
    Sie legte die Arme um seine Taille. Ihr Kopf ruhte an seinem breiten Rücken. Die Wärme seines Körpers drang durch seine Jacke.
    »Das mußt du selbst machen. Bisher hast du noch keinen Fehler begangen. Du hast das Geld nicht abgeholt.«
    Er reagierte nicht.
    »Billy T.? Du hast das Geld doch noch nicht abgeholt?«
    »Dann hätte ich den Zettel ja nicht mehr«, sagte er tonlos.
    »Dann ist doch alles in Ordnung. Aber du mußt ihn selbst vernichten. Das wird so wichtig für dich sein nachher. Später. Daß du Grenzen ziehen konntest. Widerstehen.«
    »Dem Teufel widerstehen, meinst du? Bist du neuerdings fromm geworden?«
    Hanne lächelte und drückte ihn fester an sich.
    »Ich?

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