Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)
wurde ihr Mund trocken. »Aha.« Sie räusperte sich. »Wie dem auch sei, der Firma wegen trage ich das Haar lang.«
»Ridland erwähnte einmal, dass Sie eine Firma besitzen. Eine bemerkenswerte Leistung für eine Frau.«
Seine Bemerkung entlockte ihr ein Seufzen. »Für jeden .«
»Ja«, erwiderte er. »Aber für eine Frau ganz besonders.«
»Damit wären wir wieder bei dem Thema England gegen Amerika. Geld ist weitaus egalitärer. Wenn es vor der Herkunft die Augen verschließt, dann auch vor dem Geschlecht. Hier kommt man nur mit Cleverness weiter.«
»Cleverness«, dachte er laut nach. »Ich halte Sie für ziemlich ausgebufft, Mina. Um das zu erreichen, was Sie erreicht haben, muss man ein ziemliches Genie sein.«
Nichts weiter als Worte. Um nicht rot anzulaufen, versuchte Mina, ihnen nicht zu viel Beachtung zu schenken. »Was wird das? Geht es um Bewunderung?«
»Und wenn dem so wäre? Nach meiner Meinung hätten Sie eine gehörige Portion davon verdient.«
»Obacht«, entgegnete sie. »Sie kennen mich doch gar nicht. Vielleicht bewundern Sie gerade den Teufel in Person.« Sie untermalte ihre Worte mit einer schiefen Grimasse.
Doch Phin ließ die Gelegenheit ungenutzt, das Gespräch auf eine humorvollere Ebene zu lenken. »Ich denke, dass ich genug weiß.«
»Ich bin überzeugt, dass Sie das denken.« Das dachten sie doch immer. Heirate mich, und du wirst ein Leben ohne Sorgen führen, hatte Henry ihr versprochen. Was er jedoch als Sorgen eingestuft hatte, waren genau die Gründe, die sie morgens aus dem Bett trieben. Doch sie machte ihm keinen Vorwurf. Die Welt erzog die Männer so, dass sie die Arbeit einer Frau, ihren Stolz und ihre Ambitionen als Bedrohung ansahen.
»Ich weiß, dass Sie alles daransetzen, Ihre Mutter wohlbehalten zurückzubekommen und dass Sie in Whitechapel sogar Ihr Leben riskiert haben, um sie zu finden.« Er hielt kurz inne. »Ich weiß, dass Sie ungeachtet Ihrer Ängste in aller Seelenruhe hier sitzen und darauf warten, dass die Hochzeitsfeier zu Ende geht.«
Sie zögerte. Das waren nicht die Worte, die sie erwartet hatte – genau genommen fielen ihr keinerlei Gründe für eine derartige Großzügigkeit seinerseits ein. »Weshalb reden Sie so mit mir?«
Er lächelte verhalten. »Weil ich selbstsüchtig bin und mich frage, was Ihr Geheimnis ist. Ich hätte bestimmt eine Verwendung dafür.«
»Sie?« Der Ausruf mutete unhöflich an, und als er loslachte, konnte sie ihm noch nicht einmal einen Vorwurf daraus machen.
»Ja, ich.« Er las einen Strohhalm auf, steckte ihn sich zwischen die Lippen und ließ den Blick über den Anger schweifen. »Vergnügen der einfachen Art«, sagte er. »Die Kunst der Gelassenheit.« Er sah zu ihr. »Womöglich die Gabe zur Glückseligkeit.«
Verächtlich verzog sie die Lippen. Die Stille, die statt einer Antwort ihrerseits ihren Raum forderte, war zerbrechlich und zugleich geladen. Unruhig rutschte Mina auf dem Strohballen hin und her. Sie war sich nicht sicher, ob sie etwas derart Komplexes wie die Stille zwischen ihnen mit ihm teilen wollte. Sie waren gemeinsam auf einer Reise, um ihre Mutter ausfindig zu machen, und unter Umständen würde sie sich ein wenig mit ihm vergnügen, ja. Aber da hörte es auch schon auf. Zweifelsohne dürfte es ausreichen, ihm ungezügelte Lüsternheit vorzuspielen, damit er einen Riegel vor seine Bewunderung schob. Sie hatte die Erfahrung gemacht, dass Sex und Bewunderung nicht lange Hand in Hand gingen.
Um ihn nicht ansehen zu müssen, richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf Braut und Bräutigam, die sich in der Zwischenzeit unter die Gäste gemischt hatten. »Ich werde Ihnen das Geheimnis der weiblichen Glückseligkeit verraten«, sagte sie. »Setzen Sie sich niemals Risiken aus, die Sie meiden können.«
Er folgte ihrem Blick. »Sprechen Sie von der Ehe?«
»Unter anderem.«
»Niemals, sagen Sie?«
Mina zuckte die Schultern. Sie war der Überzeugung, dass sie, hätte sie das Risiko jemals eingehen wollen, es direkt nach ihrer Ankunft in New York hätte tun sollen, als sie gleich mehrere Angebote hatte, die auf einen Schlag ihre finanziellen Probleme gelöst hätten. Doch bei dem Gedanken an eine Ehe war sie stets ein klaustrophobisches Gefühl überkommen, ein Gefühl der Hilflosigkeit. Wie damals, als sie eingeschlossen gewesen war und mit anhören musste, wie ihre Mutter litt. Daraufhin hatte sie sich geschworen, niemals den Fehler ihrer Mutter zu wiederholen. Nein, sie würde es nie so weit
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