Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)
er mit einem leisen anerkennenden Pfeifen quittierte, als die Schrittfolge sie wieder zu ihm führte. Ihre Gefühle für ihn waren tiefer, als sie je gedacht hätte, und das nicht nur, weil er sie mit einem Messer ohne Futteral verglichen oder von Instinkten gesprochen hatte. Ihre Instinkte hatten ihn von Anfang an akzeptiert – ein Umstand, der ihre Wachsamkeit eigentlich sofort auf den Plan hätte rufen müssen. Schließlich war sie nicht auf der Suche nach einer Liaison. Doch die Gefahr bestand ohnehin nicht. Schließlich befand sie sich in einem fremden Land, dem sie eher früher als später wieder den Rücken zukehren würde.
Und ja, während sie so tanzten, genoss Mina ihre Sorglosigkeit und fühlte sich gelöster denn je. Sie würde ihre Mutter finden und die Freude, die in ihrer Brust brodelte, rührte nicht nur von der Aussicht auf das Wiedersehen her, sondern auch von dem Triumph, den sie sich auf die Fahnen schreiben konnte: Sie war kompetenter, als Ridland es sich hätte träumen lassen. Sie hatte ihn ausgetrickst und Ashmore dazu überredet, ihr zu helfen. Morgen würde sie ihre Mutter finden, und sie würde frei sein. Dann würde alles wieder gut werden, eine Tragödie würde sich zu einem großen Abenteuer mit einem guten Ende gewandelt haben. Der Gedanke beflügelte Mina, und sie barst geradezu vor Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Sie fühlte sich imstande, einen Berg mit den bloßen Händen zu versetzen, wenn er ihr im Weg war. Ashmores vor Bewunderung leuchtende Augen verkündeten es: Sie war stark.
Als der Tanz vorbei war, drückte ihnen einer der Dorfbewohner ungefragt neue Krüge in die Hände, die sie in einem Zug leerten, ehe sie sich mit einem Blick darüber verständigten, noch einmal zu tanzen.
Doch die Atmosphäre zwischen ihnen hatte sich verändert. Mina, die sich vorgenommen hatte, ihn in dieser Nacht zu verführen, erschien es mit einem Mal nicht mehr nötig, sich noch länger in Geduld zu üben. All ihre Euphorie konzentrierte sich jetzt auf Ashmore. Wie konnte sie sich über einen Mann ärgern, der sich so geschmeidig bewegte? Seine Bewegungen glichen der kraftvollen Anmut eines Löwen auf der Jagd. Seine starken Hände hielten sie und legten sich um ihre Taille, und immer wieder blitzte das strahlende Weiß seiner ebenmäßigen Zähne auf. Wenn er lachte, haftete ihm etwas Jungenhaftes an, fast so, als wäre er auf Dorffesten und in den kleinen Weilern zu Hause. In einem solchen Moment war es Mina unmöglich, den fröhlichen Ausdruck auf seinem Gesicht mit ihrem einstigen Eindruck von Arroganz in Einklang zu bringen. Je länger sie jedoch darüber nachdachte, desto mehr musste sie zugeben, dass sie Gefallen an seiner Vielschichtigkeit fand. Als Ashmores Lachen kehliger wurde, verspürte Mina den Wunsch, sich an ihn zu schmiegen.
Wenn sie sich nicht täuschte, schien er ähnlich zu empfinden, denn seine Hand ruhte länger als nötig auf ihrer Hüfte, und sein Gesichtsausdruck spannte sich trotz seiner Fröhlichkeit leicht an. Und dann, als die Geige eine langsamere Weise zu spielen begann, hielten seine Hände sie gefangen, sodass sich in der schmalen Schlucht zwischen ihren Körpern ein Sturm zusammenbraute. Es war ein schwindelerregendes Gefühl, das Mina immer tiefer in seinen Bann zog und sie noch näher an ihn heranrücken ließ. Selbst wenn sich der Boden unter ihren Füßen aufgetan hätte, nichts hätte sie mehr von ihm fortreißen können. Die warme Brise, die über die Gästeschar hinwegwehte, trug einen faszinierenden Geruch mit sich: nach gebranntem Zucker, würzigem Bier und warmem, trockenem Heu. Dass sich das Leben ausgerechnet hier von seiner schönsten Seite präsentierte, überraschte Mina. Es rief ihr in Erinnerung, dass sich so mancher sorgfältig geschmiedete Plan als unnötig erwies, weil sich ab und an alles von selbst fand. Es schien, als folgte das Universum einem sich stetig ändernden Muster, das sich letztlich zu Minas Wohlgefallen ausrichtete.
Sie blickten einander an, und als die Musik abermals einsetzte, verharrten sie reglos. Bis Phin die Hand hob und ihr eine Haarsträhne aus der Stirn strich. Als er das tat, stockte Mina für den Bruchteil einer Sekunde der Atem, und sie fürchtete, er würde nicht weitermachen. Doch sein Finger wandte über ihr Kinn, über ihren Hals. Überall dort, wo er sie berührte, spürte sie kleine Flammen aufzüngeln, und ein wohliges Schaudern durchströmte sie. »Sie sind ein einziges Rätsel«, murmelte
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