Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)
selbst wenn er sie würgte, würde sie stumm bleiben. Als er im nächsten Augenblick an ihr vorbeiging, fühlte Mina sich töricht und besorgt zugleich. Sie nahm seinen Duft wahr, den Geruch nach Lorbeer und den Hauch seines Schweißes. Bei ihrem zweiten Kuss hatte sich ihr Körper an seinen Geruch erinnert. Jetzt schrie er förmlich danach, sich an ihn zu schmiegen, damit sie ihre Lungen mit seinem Duft füllen konnte. Statt auf ihren Körper zu hören, biss Mina sich auf die Fingerknöchel und wandte sich leicht zur Seite, um Ashmore zu beobachten.
Er stand vor dem Waschtisch und krempelte sich die Ärmel hoch. Mina sah die feinen dunklen Härchen, die seine muskulösen Unterarme bedeckten. Nur zu gut konnte sie sich an das Gefühl der Bewunderung erinnern, das in ihr aufgestiegen war, als sie das erste Mal das Spiel seiner Muskeln gesehen hatte, damals, als er ans Bett gefesselt und ihr ausgeliefert gewesen war. Ein Umstand, der ihm ganz und gar nicht geschmeckt hatte.
Womöglich wähnte er sich jetzt in Sicherheit, weil er derjenige war, der das Kommando übernommen hatte. Doch dass er sie in seine Geheimnisse einweihte, gab ihm noch lange nicht das Recht, das Gleiche von ihr zu fordern. Ich werde ihn verführen, entschied Mina. Dieser Entschluss ging mit dem Aufwallen einer unerklärlichen Wut einher. Wenn Ashmore alle ihre Sinne mit einem Bann belegte, würde sie diesen brechen, indem sie deren Forderungen nachgab. Wie er unter ihren Händen gezittert hatte, als sie ihn ausgelacht hatte. Nicht alle Vorteile waren auf seiner Seite.
Er nahm den Krug zur Hand und goss ein wenig Wasser in die Schüssel, sodass es spritzte. Als er nach dem Lappen griff, der an einem Wandhaken hing, spannte sich der Stoff seines Hemdes, und seine schmale Taille zeichnete sich darunter ab. Ehe er den Lappen sorgfältig faltete und auswrang, tauchte er ihn kurz in das kalte Wasser. Wie pedantisch er vorging. Mina war überzeugt, dass er ein festes Ritual hatte, wenn er sich morgens die Socken anzog.
»Ich wollte Sie nicht aus der Fassung bringen«, sagte er leise.
Mina starrte auf sein breites Kreuz und schwieg. Du Feigling, dachte sie, dreh dich wenigstens um und sieh mich an. »Jetzt tun Sie bloß nicht so, als würden Sie sich Sorgen machen«, platzte es aus ihr heraus. Ihre Worte erschreckten sie, und sie schlug die Hand vor den Mund. Doch gesagt war gesagt. Sie wurde rot bis unter die Haarspitzen. »Eine Woche noch, und danach werden Sie mich nie wiedersehen«, schob sie nach.
»Richtig – aber bis dahin müssen wir zusammenarbeiten.«
Mina beobachtete, wie er sich mit dem Lappen Arme und Hände wusch. Seine Bewegungen waren so methodisch und gleichmäßig, dass sie ihm in Fleisch und Blut übergegangen sein mussten. Sie fragte sich, ob er dieses Gespräch womöglich vorbereitet hatte, und ob das, was sie als Drehungen und Wendungen empfunden hatte, Teil eines sorgfältig inszenierten Manövers war. Dachte er wirklich, sie ließe sich so leicht zurechtformen wie ein Waschlappen? Wenn sie sich in seine Hände begab, würde er schnell feststellen, dass dem nicht so war. »Wir arbeiten doch bereits zusammen«, sagte sie. »Ich habe Ihnen im Zug geholfen.«
Mit einem lauten Klatschen landete der Lappen im Wasser. Eine Hand auf die Marmorplatte des Waschstandes gestützt drehte Ashmore sich zu Mina um; seine Miene verriet nichts. »Das war genau der Moment, in dem mir klar wurde, dass die kommenden Tage nur dann erfolgreich sein werden, wenn wir einander vertrauen.« Als er sich mit der Hand durch das Haar fuhr, dachte sie darüber nach, warum ein Mann, der Ordnung über alles liebte, Gefallen an einer wilden Haarmähne fand. »Lassen Sie mich den ersten Schritt machen. Ich denke, Sie könnten recht damit haben, wenn Sie sagen, dass Ridland der Verräter ist.« Er schenkte ihr ein rätselhaftes Lächeln, in dem für ihren Geschmack ein wenig zu viel Fröhlichkeit mitschwang. »Sollte das der Fall sein, so versuchen wir nicht nur, Ihrer Mutter das Leben zu retten, Miss Masters. Wir müssen auch unsere eigene Haut retten.«
Den Tee nahmen Mina und Phin in der Wirtsstube ein. Sie hatten sich für einen Tisch im Erker entschieden, vor dem eine majestätische Eiche stand, deren Blätter sachte im Wind wogten. Als die Magd das Geschirr abräumte, erfüllte unvermittelt lautes Getöse den Garten. Eine Horde Kinder, die mit Zimbeln bewaffnet waren und diese lautstark betätigten, bahnten sich ihren Weg durch das Grün. Ihnen folgten
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