Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)
ausgesprochen hätte, war denkbar einfach: Ich spreche so mit Ihnen, weil ich weiß, dass Sie mich verstehen. Auch wenn es mir ein Rätsel ist, mit welcher Leichtigkeit Sie alles ertragen haben.
Mina Masters verstand, was es bedeutete, den unbezähmbaren Wunsch zu haben, etwas zu tun. Hilflosigkeit war für sie ein Fremdwort. Auf der einen Seite interessierte es sie, wie man das Leben eines Menschen auslöschen konnte, empfand aber keinerlei Scham ob dieses Interesses, weil sie sich auf ihr Urteilsvermögen verließ. Der Blutrünstigkeit einer Frau mit Bewunderung zu begegnen mutete seltsam an und zeugte, gemessen an konventionellen Maßstäben, von schlechtem Geschmack. Nicht jedoch nach den Maßstäben, die er seiner Welt anlegte. Ich bin ich , hatte sie gesagt – aber nicht, um damit zu prahlen. Sie meinte es genau so, wie sie es sagte und entschuldigte sich nicht für die Maßnahmen, die sie ergriff, um ihr Terrain zu verteidigen.
Nein, die Bewunderung, die er ihr entgegenbrachte, war mehr als berechtigt. Wenn überhaupt, war sie untertrieben, oder das Wort Bewunderung war einfach nicht stark genug, um das auszudrücken, was er empfand. Mit anderen Worten: Wenn er sie ansah, empfand er Begehren. Das Problem war nur, dass sie sich gut tarnte, damit niemand genau hinsah und sie entdeckte. Phin saß noch lange so da und sah sich an ihr satt.
13
In Providence lief alles schief. Vielleicht hatte Mina die ganze Zeit über geahnt, dass es so kommen würde. Am Morgen, als sie in dem von Rosmarinduft erfüllten Zimmer aufgewacht war und festgestellt hatte, dass sie allein war, hätte sie eigentlich erleichtert darüber sein müssen, Ashmores Argusaugen einmal nicht ausgesetzt zu sein. Sie hatte in der Nacht intensiv geträumt, und als sie sich aufgesetzt und sich die Augen gerieben hatte, war in der Stille und im sanften Licht des Morgens, das langsam über die schweren Eichenmöbel kroch, die Panik zurückgekehrt, die sie bereits im Reich der Träume verfolgt hatte. Ihr war, als hätte sie in der Nacht etwas versäumt, als hätte sie eine entscheidende Gelegenheit verpasst. Doch die Sonne war wie jeden Morgen aufgegangen und stand an einem wolkenlosen Himmel.
Das Gefühl der Panik ergab keinen Sinn, doch Mina merkte, dass sie die Morgentoilette in einer für sie ungewohnten Geschwindigkeit verrichtete, ehe sie, auf der Suche nach Phin, den Flur herunterlief. Es gab durchaus Gründe, Ashmores Gegenwart etwas Positives abzugewinnen, sehr gute Gründe sogar, die allesamt nichts mit der Art und Weise zu tun hatten, wie er sie berührt hatte. Allein konnte sie gegen Collins nichts ausrichten. Ashmore verfügte über das bessere Waffenarsenal, besaß militärische Fähigkeiten und kannte die Gegend besser als sie. Aber er brauchte sie genauso wie sie ihn, das hatte ihr das Dilemma aufgezeigt, in dem er sich befand. Wenn sie starb, stünde er als Verräter da. Was sich zwischen ihnen im Bett abgespielt hatte, war lediglich eine Erweiterung des Übereinkommens zwischen ihnen. Es war kein Grund zur Beunruhigung, kein Anlass, die Balance zwischen ihnen zu stören.
Und tatsächlich machte er es ihr unerwartet einfach, sich wieder zu entspannen. Als Mina die Wirtsstube betrat, begrüßte er sie mit einem Lächeln und bestellte ihr ein Frühstück, nach dem er ihr – so als wäre nie etwas passiert und als hegte er kein weiteres Interesse an ihr – in die bereits wartende Kutsche half. Er verhielt sich wie ein guter Freund oder wie jemand, den die Umstände dazu zwangen, sich freundlich zu geben und der darüber hinaus keinerlei Absichten hegte.
So machten sie sich auf den Weg ins zwanzig Meilen entfernte Chippenham, wo sie kurz vor Mittag und gerade noch rechtzeitig eintrafen, um den Zug nach Penzance zu erreichen. Während der langen Zugfahrt – die Felder wichen endlosen, mit Ginster bewachsenen Mooren, in denen sich zerzauste Bäume den rauen Winden beugten – unterhielt er sie königlich. Anfänglich war Mina seiner guten Laune mit Skepsis begegnet, doch nach und nach ließ sie sich davon anstecken. Zumindest hielt das angeregte Gespräch sie davon ab, darüber zu sinnieren, was sie fühlte, wenn er ihr hin und wieder vielsagende Blick zuwarf. Unter anderem fragte Ashmore sie über New York aus, und es stellte sich, sehr zu Minas Verwunderung, heraus, dass er noch nie dort war. Ihre Verwunderung wiederum amüsierte Phin. »Vielleicht fahre ich eines Tages dorthin«, sagte er. »Wie Sie wissen, war ich in den letzten
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