Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)
gedeutet werden konnten, war schließlich auch der Grund dafür, warum sich so viele Menschen für Lyrik begeisterten.
Sie griff so beiläufig wie möglich nach der Bettdecke und verhüllte ihre Blöße damit. »Ich weiß beim besten Willen nicht, wovon Sie sprechen«, sagte sie schließlich.
Vielleicht wusste sie es doch. Zumindest schien er das zu denken, wie sie an dem leisen Lächeln um seine Lippen zu erkennen glaubte. »Wieso erlauben Sie es sich nicht einfach, mich ein klein wenig zu mögen?«
»Aber ich mag Sie doch«, entgegnete Mina und zog dabei spöttisch die Augenbraue hoch. »Daran besteht doch wohl kein Zweifel; oder benötigen Sie noch weitere Beweise, Ashmore?«
Einige Augenblicke lang musterte Phin ihr Gesicht. »Lassen Sie endlich Ihre Maske fallen, Mina. Aus freien Stücken.«
Mina atmete scharf aus. Doch es waren weniger seine Worte, die sie betroffen machten. Zweifelsohne wusste er jetzt, dass sie ihm etwas vorgespielt hatte. Nein, das elektrisierende Gefühl, das in ihr pulsierte, rührte daher, dass er überhaupt auf den Gedanken kam, das zu ihr zu sagen. Und dass er allen Ernstes glaubte, sie würde seinetwegen darüber nachdenken, es zu tun.
Dass sie es womöglich wollte.
Sie atmete noch einmal hörbar aus. »Ich bin, wer ich bin.«
»Ja«, antwortete er. »Genau das.«
Nein , wollte sie ihm entgegenschleudern. Sie verstehen rein gar nichts. Ich bin, wer immer ich sein möchte, auch für dich. Du darfst dabei nicht mitreden, geschweige denn entscheiden . Doch ihre Lippen blieben stumm. Der eigentliche Grund für ihr Schweigen war, dass sie unentwegt an die Narbe an seinem Handgelenk dachte, die sein Vater ihm zugefügt hatte. Er war so aufrichtig ihr gegenüber gewesen. Und dieses Wunder, das er für sie gewirkt hatte, so selbstlos –
Mina hüllte sich in Schweigen, bis sein Blick sie freigab. Als er sich tatsächlich abwandte und begann, seine Kleider zusammenzusuchen, wunderte sie sich über die Enttäuschung, die sich wie ein schwerer Stein auf ihre Brust legte.
Als sie zum Abendessen nach unten in die Wirtsstube gingen, kam Mina das, was sich im Bett zugetragen hatte, wie ein Traum vor. Anfänglich beobachtete Phin sie amüsiert, bis sich eine leichte Enttäuschung über seine Freude legte, als sie wieder in ihre vertraute Rolle zurückfiel. Mina tat es mit wohlbedachter Gründlichkeit. Sie plapperte wie ein Wasserfall wild drauflos, während sie ihre Lammhaxe aß. Sie ließ sich darüber aus, wie hinterlistig Katzen sein konnten, wie prächtig sein Haar aussähe, wenn er doch nur ihre Produkte benutzte. Wieder oben im Zimmer machte sie keinerlei Anstalten, ihn zu sich ins Bett einzuladen.
Und Phin unternahm nichts, um sie dazu zu überreden. Er schlief in dieser Nacht auf dem Boden – das heißt, er versuchte vergeblich, etwas Schlaf zu bekommen, hielten ihn doch die sanften Geräusche davon ab, die Mina im Schlummer von sich gab. Sie hatte heute eine Selbstbeherrschung gezeigt, die ihn sehr beeindruckt hatte. Um diese Selbstbeherrschung zu wahren, hatte sie sogar versucht, sich körperliche Freuden zu versagen. Im Schlaf jedoch, so schien es, rächte sich ihr Körper für diese Disziplin. Seufzen, wortloses Wispern, unruhiges Hin-und-her-Wälzen – diese kleinen Rebellionen, so sagte er sich, zeugten von angenehmen Träumen. Doch je länger er ihr zuhörte, desto skeptischer wurde er.
Wären seine eigenen Absichten weniger klar gewesen, hätte er sie womöglich geweckt. Aber er wusste, dass er besser daran tat, sie nicht zu berühren. Denn wenn er sie wieder berührte, würde er sich und seine Lust nicht mehr im Zaume halten können. Allmählich verstand er, wer diese Mina Masters war. Wie ein Buch, das in einer Sprache geschrieben war, die man nur halb beherrschte, erschloss sich ihm ihr Wesen immer klarer. Auch wenn jede neue Seite darauf hinwies, dass die Geschichte länger und komplexer war, als er gedacht hatte. Mina Masters verfolgte Pläne und Strategien, und der heutige Nachmittag hatte sie vor die Überlegung gestellt, ob er in diese Pläne passte. Phin freute sich darüber. Er hatte nicht vor, sich von ihr in die aktuelle Erzählung einfügen zu lassen. Ließ er das zu, würde das Ende eintreten, das sie bereits ausformuliert hatte: Eine Woche noch und danach werden Sie mich nie wiedersehen.
Vor wenigen Tagen hatte er genau das gehofft. Doch in der Zwischenzeit war es diesem wundervollen Geschöpf gelungen, sein Interesse zu wecken. Mehr als nur sein
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