Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)
Arbeit? « Das Lachen ihrer Mutter klang bitter, erstarb jedoch in einem Seufzer. »Wie dem auch sei, Gerard würde niemals einwilligen.«
Mina spürte, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte. Ja, den Kern der Sache, den konnte sie in Worte kleiden. »Du hast recht, vermutlich würde er das nicht.« Sie zögerte, ehe sie nach der kalten Hand ihrer Mutter griff, die sich um einen kleinen Knopf auf dem Sitzkissen krallte. Wenn ihre Mutter alles lassen wollte, wie es war, hieß das nicht, dass sie ebenso handeln musste. Sie konnten fliehen – noch heute Nacht. Sie hatte einen Teil ihres Taschengeldes für genau diese Möglichkeit gespart. Es war nicht viel, aber es reichte für die Überfahrt nach San Francisco. Außerdem gab es da noch das kleine Erbe ihres verstorbenen Großvaters, das ihr an ihrem nächsten Geburtstag zufiel. »Dann gehen wir eben nach Kalifornien. Collins käme nie auf die Idee, dort nach uns zu suchen. Ich habe alles genau recherchiert.« Mina verstärkte den Druck ihrer Hand und sprach über das Seufzen ihrer Mutter hinweg weiter. »Du musst nichts weiter tun, als eine Erklärung in der Lokalzeitung abzugeben. Du musst ihm noch nicht einmal von deinem Vorhaben erzählen. Irgendeine unbedeutende Zeitung in irgendeiner kalifornischen Kleinstadt, in die er nie einen Fuß setzen wird.«
Harriet riss ihre Hand zurück und kam schwankend auf die Beine. »Hör auf damit! Hörst du dir eigentlich selbst zu?«
Mina hätte wohl besser daran getan, die Sache mit der Recherche nicht zu erwähnen. Dadurch hatte sie preisgegeben, wie weit die Sache in ihrem Kopf bereits gediehen war. Wütend über sich selbst krallte sie die Finger ins Sitzkissen. Ihre Mutter starrte sie aus entsetzten Augen an, als hätte Mina gerade vorgeschlagen, gemeinsam eine Kerze für den Teufel anzuzünden. Ein eigenartiges Gefühl der Verlegenheit kroch in Mina hoch. Doch es gab keinen Grund, sich zu schämen. So gingen moderne Menschen nun einmal derartige Probleme an. »Mutter, er …«
»Scheidung.« Ihre Mutter wickelte den Morgenrock eng um sich. Sie wirkte so kränklich, als reichte schon das Wort aus, um ihr Übelkeit zu verursachen. »Bist du von Sinnen? Davon sprichst du doch die ganze Zeit.« Sie stieß ein kurzes Lachen aus. »Du schlägst nach deinem Vater, daran besteht kein Zweifel. Durch und durch Amerikanerin. Doch die Peppins wissen ihren Eheschwur zu schätzen. Hast du auch nur den Hauch einer Ahnung , was die Menschen über uns denken würden? Gar nicht auszudenken, was geschähe, wenn Robbie davon erführe. Gott bewahre.«
Mina verspürte den plötzlichen Drang, den Knopf des Kissens abzureißen. Es war unglaublich. Robbie, ein nichtsnutziger Engländer, dem ihre Mutter vor zwanzig Jahren einen Korb gegeben hatte, beeinflusste noch heute ihre Entscheidungen? »Was geht ihn das an? Er hat dich vor über zwei Jahrzehnten aus seinem Gedächtnis gestrichen. Wir sollten nichts darauf geben, was irgendwer in England denkt. Du hast es selbst gesagt – dass sie froh wären, wenn du tot in der Gosse landen würdest.«
»Hör auf damit.« Mit schwankenden Schritten ging Harriet zur Kommode und nahm sich einen Kamm, ehe sie sich mit wütender Hand das Haar glättete, es aufdrehte und den Kamm hineinrammte, damit es hielt. »Dein Verhalten schockiert mich zutiefst.« Als sie sich umdrehte und durchatmete, hob und senkte sich ihre Brust sichtbar. »Wie kannst du es wagen , über derlei mit mir zu sprechen? Es gibt keinen Zweifel daran, dass ich bei dir etwas falsch gemacht habe. Er ist mein Mann, dem ich vor Gott gelobt habe, ihn zu lieben und ihm zu gehorchen. Und als seine Tochter ist es deine Pflicht, …«
»Ich bin nicht seine Tochter«, entgegnete Mina tonlos. »Und ich habe ihm keinen Schwur geleistet. Aber er hat dir gegenüber doch auch etwas gelobt, nicht wahr? Hat er sich denn daran gehalten?«
Ihre Mutter stieß ein befremdliches Lachen aus und fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. »Oh Mina. Du bist noch so jung. Jünger, als ich es jemals war. Ich schätze, es ist der Fehler deines Vaters. Er hat dich zu sehr verwöhnt. Was weißt du schon über die Ehe? Nichts.«
Doch Mina wusste genug darüber, um sich zu fragen, ob sie jemals mehr darüber erfahren wollte. »Hätte Papa dich jemals dazu gebracht, so bitterlich zu weinen?« Als ihre Mutter die Lippen aufeinanderpresste und nicht antwortete, spürte sie einen Anflug von Groll, der ihr die Kehle zuschnürte. Die nächsten Worte spuckte sie
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