Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)
deutete sie eine Verneigung an. »Gut gemacht, Liebchen.«
Diese Bemerkung brachte Mina ins Grübeln. Während Monroe mit dem Kutscher sprach, musterte Mina ihn verstohlen. Er sah tatsächlich wie ein reicher Gentleman aus. Sein Anzug war aus feinstem Tuch und von bester Verarbeitung, und der Schnitt betonte vorteilhaft seine breiten Schultern. Seine Manschettenknöpfe schienen aus Gold zu sein. Woher mochte er das Geld für diesen Luxus haben? Reiche Männer setzten nicht ihr Leben aufs Spiel, um Jagd auf Kriminelle zu machen. Aber vielleicht wurden Spione einfach besser bezahlt, als sie gedacht hatte.
Doch diese Überlegung verstärkte ihr Unbehagen nur noch. Wenn Ridland ihn so üppig entlohnte, war es womöglich mit seiner Loyalität nicht allzu weit her, und sein mürrisches Verhalten konnte eine Gefahr für sie werden.
Ihr Zögern erregte seine Aufmerksamkeit, und er schaute sie an, während der Kutscher den Schlag öffnete. Die spärliche Beleuchtung einer verdreckten Straßenlaterne verlieh Monroes vollen, geschwungenen Lippen etwas Grüblerisches. Er musterte Mina, als spielte er mit dem Gedanken, sie käuflich zu erwerben. »Gibt es ein Problem, Miss Masters?«
Nein, dachte Mina. Abgesehen davon, dass sie im Begriff war, zu einem Mann in die Kutsche zu steigen, der genau genommen ein Fremder war. Und der vergessen zu haben schien, welchen großen Gefallen sie ihm erwiesen hatte. Nicht einmal Tarbury würde wissen, wohin Monroe sie brachte. Er würde ihr also nicht helfen können zu fliehen.
»Nein, natürlich nicht«, entgegnete sie strahlend. Als Monroe ihr die Hand reichte, hielt Mina den zappelnden Kater mit nur einem Arm fest, um sich in die Kutsche helfen zu lassen. Das Tier wollte die Chance zur Flucht nutzen, was Mina verhinderte, indem sie es fester an sich drückte. Die Quittung dafür bekam sie zu spüren, als er seine Krallen in ihren Arm schlug. »Böser Kater!« Der Versuch, die Krallen zu lösen, endete damit, dass der wild um sich schlagende Schwanz des Tieres in ihrem Mund landete. Entnervt drehte Mina sich von Monroe weg, um die Katzenhaare auszuspucken. Tarbury würde ihr für diesen Gefallen auf den Knien danken müssen, und zwar mehr als einmal.
»Ein hübsches Tier«, sagte Monroe. »Hat es womöglich Tollwut?«
Der Hauch Ironie in seiner Stimme schreckte Mina auf. Dabei war es ebendieser Humor gewesen, den sie in Hongkong an ihm geschätzt hatte – anfangs zumindest. Dass er nun auf ihre Kosten Scherze machte, schien vielversprechend, bedeutete es doch, dass sie für ihn keine Bedrohung darstellte.
»Mitnichten«, entgegnete sie mit einem Lächeln. »Der Kater verhält sich ganz normal.« Obwohl Tollwut bei genauer Betrachtung gar nicht so abwegig war. »Wollen Sie ihn auch einmal halten?«
Statt zu antworten, zog er eine Augenbraue in die Höhe und griff nach ihrer Hand.
Als sich Monroes Hand um ihre schloss, bereute Mina zutiefst, ihre Handschuhe im Haus vergessen zu haben. Seine Berührung machte ihr bewusst, wie groß, kräftig und rau seine Hände waren. Beim Einsteigen in die Kutsche verfing sich sein intensiver, ruhiger Blick mit ihrem. Ihr Magen verkrampfte sich.
Monroe verzog leicht den Mund. Es war, als wäre die Anziehungskraft, die sie in Hongkong gespürt hatten, noch immer quicklebendig – ein Umstand, den er zu begrüßen schien.
Minas Puls raste, als sie sich auf die gepolsterte Bank setzte. Nie und nimmer hätte sie gedacht, dass die Gefühle von damals eine so lange Zeit überdauern konnten, aber die Gänsehaut auf ihren Armen bewies, dass ihr Verstand ihrem Körper mächtig hinterherhinkte. Um sich zu fangen, atmete sie tief durch. Da alle Vorteile zurzeit bei Monroe lagen, wäre es nicht sehr klug gewesen, ihm gegenüber eine Schwäche zu zeigen.
Monroe warf das Kleid in die Kutsche und hielt sich am Türrahmen fest, als er einstieg. Minas Blick fiel auf seinen großen Siegelring. Der maßgeschneiderte Anzug, die goldenen Manschettenknöpfe, seine unerschütterliche Gelassenheit – sie gewannen an Aussagekraft, als Monroe Mina gegenüber Platz nahm. Er schien ein Mensch zu sein, der frei von jeglicher Sorge war. Selbst die Kutsche war auffallend gut ausgestattet. Die Sitzbank war mit cremefarbenem Samt bezogen, den eine Seidenbordüre zierte, und der vermutlich ständig ausgewechselt werden musste, sobald er mit Schmutz in Berührung gekommen war. Die edle Holzvertäfelung des Innenraums war mit kunstvollen Schnörkeln verziert. »Hat Ridland Ihnen
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