Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)
tiefe Röte eroberte Minas Antlitz, vermutlich vor Verlegenheit. »Geht es Ihnen gut?«, erkundigte er sich. Er hatte sie nicht angreifen wollen, aber die Waffe in ihrer Hand hatte seine Optionen eingeschränkt. Hätte er es mit sanfteren Methoden versucht, hätte sie ihn womöglich vor Schreck erschossen.
Sie rieb sich die Nase wie ein kleines Mädchen nach einem Wutanfall. »Ja, verzeihen Sie. Ich bin … Sie haben mich ziemlich erschreckt, das ist alles.«
Monroe musterte sie eingehend, als wollte er herausfinden, wie genau sein Gedächtnis arbeitete. Er erinnerte sich daran, dass sie außergewöhnlich schön war, doch die Realität erwies sich als weniger verwirrend. Jeder ihrer Gesichtszüge schien bei genauer Betrachtung zu vollkommen zu sein, um mit den anderen ein harmonisches Ganzes zu ergeben. Wer sie ansah, wusste einfach nicht, auf was er zuerst schauen sollte, und empfand zunehmend Frustration, weil das Auge sich nicht für einen Ort zum friedlichen Verweilen entscheiden konnte.
»Sechs Tage lang habe ich nach Ihnen gesucht.« Es war so verdammt schwierig gewesen, sie ausfindig zu machen, dass er zwischenzeitlich gedacht hatte, er könnte einem schlechten Scherz von Ridland aufgesessen sein. Doch jetzt stand sie vor ihm, umhüllt von ihrem sanften, blumigen Duft. Eigentlich sollte er erleichtert sein, weil er sich nicht zum Narren gemacht hatte. »Ich hatte schon Angst, Sie könnten wieder verschwunden sein«, sagte er und hielt inne, als er an die Frage dachte, die ihn vor ihrem Auftauchen beschäftigt hatte. »Wo haben Sie sich eigentlich versteckt gehalten?«
Ihre Augen waren so blau wie das Meer bei Amalfi und schimmerten wie Kristalle in ihrem herzförmigen Gesicht. Es war ein Bild, das ihn fast schwindelig machte. »Sechs Tage, sagen Sie? Armer Mr Ridland. Er muss außer sich sein. Es lag mir fern, ihm Kummer zu bereiten.«
Doch ihre Augen konnten ihn nicht von der Tatsache ablenken, dass sie seine Frage nicht beantwortet hatte. »Ist das so? Soweit ich weiß, sind Sie unvermittelt und spurlos aus seinem Haus verschwunden.« So, wie es aussah, hatte sie das Fenster eingeworfen und war an einer Mauer nach unten geklettert – eine Leistung, die er nicht mit der zierliche Person in Einklang bringen konnte, die vor ihm stand. Für eine solche Aktion waren ihre Handgelenke viel zu zart, beinahe wie Blumenstängel. Selbst wenn sie die Hilfe eines Bediensteten gehabt hatte, wären für den Abstieg Nerven aus Stahl sowie eine in sich ruhende seelische Verfassung nötig gewesen. Entweder steckte mehr hinter ihrer Flucht, als er ahnte, oder sie war weniger ängstlich, als sie ihn glauben machen wollte. »Aber Sie müssen sich doch gedacht haben, dass man sich um Sie sorgen würde«, sagte er gedehnt.
Ihr angedeutetes Achselzucken ließ eine Reihe von Interpretationen zu. Ausdruckslos blickte Mina an Monroe vorbei zu Cronin, der auf einem Hocker saß und mit dem Absatz seines Stiefels auf dem Boden scharrte. Der Mann hatte seine Loyalität für ein paar Münzen verkauft, was ihm, dem Anblick nach zu vermuten, in der letzten Stunde tiefe Sorgenfalten ins Gesicht getrieben hatte. »Geht es der Kontaktperson so weit gut?«, erkundigte sie sich beiläufig. Der Umstand, dass sie ihre Frage nicht an Phin richtete, sprach Bände. Ihre angebliche Erleichterung darüber, dass er in Erscheinung getreten war, reichte nicht so weit, dass sie ihm vertraute.
»Ich denke schon«, murmelte Cronin. »Der da hat ihn gefesselt und wegschaffen lassen, aber da ging es ihm noch gut, soweit ich das beurteilen kann.«
»Wo befindet er sich jetzt? Hat Ridland ihn?«, wandte sich Mina wieder an Monroe.
Nicht Mr Ridland, einfach nur Ridland. Diese Anrede aus dem Munde eines behüteten Mädchens wirkte auf ihn recht maskulin. Ich trinke nichts außer Champagner . Hatte sich ihr Geschmack in den vergangenen Jahren derart geändert? » Ich habe ihn«, erklärte Phin. »Und wie es aussieht, auch Sie. Vielleicht sollten Sie sich lieber Gedanken darüber machen, was ich mit Ihnen vorhabe.«
»Sie werden mich beschützen, hoffe ich. Deshalb hat Ridland Sie doch hergeschickt, nicht wahr?«
Er lächelte, doch es schien, als bemerkte sie die Grimmigkeit, denn sie senkte den Blick. Ridland stand es nicht mehr zu, ihn irgendwohin zu entsenden. Das hatte Phin ihm unmissverständlich klargemacht. Ich werde Ihnen nicht mehr helfen , hatte er dem alten Mann mitgeteilt.
Weshalb sind Sie dann gekommen? Besorgnis in Form von tiefen Schatten
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