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Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)

Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)

Titel: Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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Phiole in die Hand. Als das Mädchen zögerlich dreinblickte, schob sie nach: »Lord Ashmore muss ja nichts davon erfahren.«
    Sally war hin- und hergerissen. Dass sie an der Unterlippe nagte, sprach eine andere Sprache als ihre Finger, die sich um die Phiole schlossen. »Seine Lordschaft ist sehr nett«, sagte sie leise.
    »Oh ja«, pflichtete Mina ihr bei. »Und so einfallsreich.« Sally war anzusehen, dass sie sich nicht sicher war, ob sie zustimmen sollte oder nicht. Die Glückliche hatte ja auch keinen Grund, diese Seite von Ashmores Persönlichkeit zu erleben. »Vielleicht solltest du an jeder Flasche riechen«, schlug Mina vor. »Und dann suchst du dir die aus, die dir am besten gefällt. Es wäre hilfreich zu wissen, was englischen Damen am besten gefallen könnte.«
    Das Mädchen errötete, ehe es nickte.
    »Wunderbar. Und ich mache mich derweil daran, die anderen Truhen auszupacken.« Als Sally zu protestieren begann, tat Mina das mit einer wegwerfenden Geste ab. »Fremde Länder, fremde Sitten. Wie ich schon sagte, würde ich das gern selbst machen. Ein Teil des Inhalts ist nämlich zerbrechlich.«
    Diese Erklärung hatte zur Folge, dass Sally verwundert nickte, und als Mina sich vor eine der Truhen kniete, hörte sie das Geräusch der Glasstopfen, wenn sie aus der Phiole gezogen wurden. Sie sah, wie Sallys Fingerspitzen andächtig über die Flakons glitten, während sie mit lautlosen Lippenbewegungen die Etiketten las. Alle paar Sekunden unterbrach sie ihr Tun, um einen nervösen Blick auf die fest verschlossene Tür zu richten. Vielleicht war ihr zu Ohren gekommen, wie wütend Ashmore in der vorletzten Nacht gewesen war, als er sie aus seinem Arbeitszimmer hierher geführt hatte.
    Ab sofort, Miss Masters, bleiben verschlossene Türen verschlossen .
    Doch Sally war im Besitz eines Schlüssels.
    Mit einem tiefen Atemzug öffnete Mina den Deckel der ersten Truhe. Was zum Teufel hatte das zu bedeuten? Sie hob einen Globus aus der Kiste und betrachtete ihn stirnrunzelnd, ehe sie ihn zurückstellte und auf den Namensanhänger an der Truhe schaute.
    Miss L. Sheldrake stand darauf. »Das hier ist nicht meine Truhe.«
    »Wie meinen?« Flink stellte Sally die Phiole zurück.
    Mina drehte den Anhänger, sodass Sally den Namen darauf sehen konnte. »Sie gehört einer Miss Sheldrake.«
    »Oh Gott! Das ist der Besuch seiner Lordschaft. Was für ein Versehen!«
    »Besuch?« Das war Mina neu. »Eine unverheiratete Frau?«
    »Oh, nein, Miss, das ist alles ganz anders«, versicherte Sally ihr. »Es geht alles ganz respektierlich zu. Miss Sheldrake und ihre Mutter statten seiner Lordschaft einen Besuch ab. Sie …« Mit puterrotem Gesicht unterbrach sie sich, vielleicht weil ihr aufgegangen war, dass sie mit Miss Masters sprach, die ohne Anstandsdame angereist war.
    Mina hätte das Mädchen gern beruhigt, aber womöglich wäre Sally noch schockierter, wenn sie erfuhr, dass ihre derzeitige Miss mit Wohlanständigkeit nicht viel am Hut hatte. Dass ihrer Meinung nach ein makelloser Ruf nur für jene Frauen von Bedeutung war, die händeringend nach einem Ehemann Ausschau hielten. Für all jene Frauen, die ihre Freiheit genossen, konnte sich Anstand als eine über alle Maße gehende Belastung erweisen. »Andere Länder, andere Sitten«, bekräftigte sie noch einmal.
    Wohlanständigkeit barg jedoch indirekt auch ungeahnte Nutzungsmöglichkeiten. In diesem Fall konnten sich die Hausgäste sogar als Vorteil entpuppen. Manche Frauen legten vielleicht keinen Wert darauf, ihre Zimmer auf derselben Etage wie eine Gefangene zu haben. Mina musste es also nur so einfädeln, dass sie die beiden Neuankömmlinge kennenlernte, damit diese von ihrer Anwesenheit erfuhren. Wenn diese Begegnung dann auch noch in Lord Ashmores Anwesenheit stattfand, konnte er sie noch nicht einmal an den Pranger stellen, weil sie gegen seine Anordnungen gehandelt hatte.
    Lassen Sie uns rekapitulieren, Miss Masters. Das Leitprinzip Ihres Aufenthaltes hier lautet wie folgt: Ich werde zu jeder Tages- und Nachtzeit wissen, wo Sie sich aufhalten .
    »Ein wahrhaft meisterliches Exempel für die berühmte Hell-Dunkel-Malerei«, sagte Miss Sheldrake und deutete auf das Gemälde über dem Kaminsims. »Sein Gesicht erhebt sich aus der Dunkelheit, als wäre er die personifizierte Wahrheit. Seht nur, wie seine Hand auf der Waage der Gerechtigkeit ruht.«
    »Wie recht du hast«, antwortete Mrs Sheldrake. »Beachtet auch, dass der Sattelgurt des Pferdes gelockert ist. Das

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