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Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)

Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)

Titel: Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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Gesicht auf. »Wieso lässt du sie nicht herein?«, fragte Mina erstaunt.
    »Äh …« Sally räusperte sich. »Ich könnte mir denken, Sie wollen nicht, dass sie Sie … in Ihrem Nachtgewand sehen, Miss.«
    »Oh.« Mina blickte an sich herab. Das Hemd, das Sally ihr gegeben hatte, bedeckte eigentlich alles. Um die Nerven des Mädchens zu schonen, ging sie jedoch brav zurück ins Schlafzimmer und schloss die Tür.
    Der Raum um sie herum schien zu schrumpfen. Auf etwas zu warten zählte für gewöhnlich zu ihren besonderen Stärken, doch am Abend zuvor war sie in diesem hübschen, exquisit duftendem Gefängnis an ihre Grenzen gestoßen. Sie musste hier raus und hatte vor, genau diesen Gedanken im Laufe des Tages in die Tat umzusetzen.
    Mina ging zum Fenster und schaute hinaus. Sie hatte Ashmore nicht angelogen; sie empfand den Ausblick als faszinierend und deprimierend zugleich. Der kleine Garten wurde von Eichen begrenzt. Ein Netz aus schnurgeraden Wegen unterteilte ihn in gleichmäßig große Quadrate. Jedes davon war von niedrigen, gestutzten Hecken umgeben, was die strenge Geometrie der Anlage betonte. Die Blumen, die innerhalb dieser Umfriedungen standen, ließen jedes Mal die Köpfe hängen, wenn die Sonne kräftiger wurde. Es war kein Garten, der zum Träumen einlud oder auch nur den Funken von Romantik versprühte. Vielmehr war er ein Anschauungsobjekt dafür, auf welche Weise sich der Mensch die Natur untertan machte. Und er sagte eine Menge über seinen Besitzer aus, wie Mina fand. Nur eine rigide und tyrannische Persönlichkeit ließ Hecken zu Quadern stutzen.
    Wenn sie die Wahl hätte, würde sie den Ausblick aus Ridlands Haus fast bevorzugen. Aber eben nur fast. Seit nunmehr einem geschlagenen Tag zerbrach sie sich den Kopf über Ashmores Verhalten im Arbeitszimmer. Und je länger sie darüber nachdachte, desto mehr kam sie zu der Erkenntnis, dass er nicht mit Ridland befreundet war. Erstens sprach der Brief, den sie gefunden hatte, sich eindeutig gegen den Mann aus. Und zweitens hatte in seiner Antwort etwas Feindseliges mitgeschwungen, als sie ihn gefragt hatte, ob er noch im Dienste Ridlands stand.
    Sie würde ihm vertrauen, entschied sie. Und wenn diese Entscheidung sich nicht hundertprozentig richtig anfühlte, so sollte sie der Anblick der aufgehenden Sonne daran erinnern, dass ihr keine andere Wahl blieb. Ein weiterer Tag war angebrochen und würde schon bald wieder der Vergangenheit angehören. Hatte man keine Wahl, war es nicht sinnvoll, über die Risiken nachzudenken, man musste die Notwendigkeit im Auge behalten. Ein törichter Teil ihrer selbst hatte ihm vom ersten Augenblick an vertrauen wollen. Der Notwendigkeit war es geschuldet, dass sie ihrer Dummheit nachgab.
    Von der Tür her ertönte ein Klopfen, und Sallys Stimme verkündete, dass die Diener wieder fort waren. Als Mina heraustrat, fiel ihr auf, dass die Stricke um ihre Reisetruhen eine andere Farbe hatten als die, mit denen Tarbury sie verschnürt hatte. Ridland hatte ihre Sachen durchsucht und wollte, dass sie es wusste.
    Wenngleich er nichts von Interesse gefunden haben konnte, so wurde ihr dennoch flau im Magen. Ein Schritt vor, zwei zurück. Wie clever sie sich vorgekommen war, von ihm wegzukommen. Doch durch das Austauschen der Stricke hatte er ihr klargemacht, dass sie noch immer unter Beobachtung stand.
    »Ich kümmere mich gleich um das Gepäck, Miss.« Sally war gerade dabei, das Frühstück aufzutischen. Der Duft nach Spiegeleiern und Butter stieg Mina in die Nase, doch sie verspürte keinen Hunger. Wenn Ashmore weder Geld wollte noch vernünftigen Argumenten zugänglich war, gab es nur noch eines, das sie nutzen konnte, um ihm einen Handel vorzuschlagen. War sie wirklich dazu bereit? Die Antwort, die ihr Körper auf diese Frage bereitwillig gab, durfte bei dieser Entscheidung nicht von Belang sein.
    Auf der Chaiselongue neben ihrem Gepäck stand eine kleine lackierte Holzschatulle, deren Anblick ihr vertraut und lieb war. Mina kniete sich davor auf den Teppich, um sie zu öffnen. Als sie hinter sich ein leises Geräusch hörte und sich umschaute, konnte sie sich nicht des Eindrucks erwehren, dass Sally sie neugierig beobachtet, sich dann aber schnell weggedreht hatte.
    Vielleicht, weil Mina noch immer das Nachthemd trug.
    Oder weil sie auf dem Boden kniete.
    »Ich hatte eine ungewöhnliche Kindheit, musst du wissen. Mein Vater war Bankangestellter, aber dann hat er beschlossen, ein Handelsunternehmen aufzubauen. Damals war

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