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Die Wahrheit der letzten Stunde

Die Wahrheit der letzten Stunde

Titel: Die Wahrheit der letzten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Jacke über. Faith’ Angst, ihre Eltern zu verletzen, kann alles Mögliche bedeuten, aber diese Aussage lässt zumindest darauf schließen, dass dieses Kind es so empfindet, dass eine große Verantwortung auf seinen Schultern lastet… und wie auch nicht? Faith’ Familie ist auseinandergebrochen, das Haus wird von fremden Menschen belagert, die sie für den Messias halten. Ihre Aufgabe als Anwältin dieses Kindes besteht darin, die Last zu mildern, um es Faith zu ermöglichen, wieder eine ganz gewöhnliche Siebenjährige zu sein.
    So wie das meistens bei spontanen Einfallen der Fall ist, ist auch dieser genau richtig. Kenzie wird Gelegenheit bekommen, zu sehen, wie Faith auf die Pressemeute reagiert, die ganz sicher jeden ihrer Schritte beobachten wird. Sie steckt den Kopf durch die Küchentür und setzt Mariah von ihrem Vorhaben in Kenntnis. Anschließend geht sie in die Diele, ohne Mariah Gelegenheit zu geben, Einwände zu erheben. »Fertig?«, fragt sie, als Faith zurückkommt, sperrt die Tür auf und geht hinaus auf die Veranda.
    Zögernd folgt Faith ihr hinaus in den Garten. Die Hände in den Taschen ihrer Fleecejacke vergraben, tritt sie mit der Schuhspitze nach einem Blätterhaufen. Dann breitet sie die Arme aus und dreht sich um die eigene Achse, das Gesicht dem Himmel zugewandt.
    Es dauert nicht lange, bis die Reporter, die die Polizei inzwischen zusammen mit den anderen Schaulustigen wieder des Grundstückes verwiesen hat, an die Steinmauer drängen. Aber auch aus der Entfernung können sie mit Hilfe ihrer Teleobjektive Bilder von Faith schießen, und sie legen die Hände trichterförmig an den Mund, um ihr zuzurufen. Faith befindet sich auf halbem Weg zu den Schaukeln, als sie die erste der Fragen hört, die auf sie niedergehen wie Softbälle. »Steht der Weltuntergang bevor?« - »Will Gott etwas Bestimmtes von uns?« - »Warum hat Gott dich auserwählt?«
    Sie stolpert über einen Maulwurfshügel und wäre gefallen, wenn Kenzie sie nicht am Arm gepackt hätte. Faith zieht die Schultern hoch und fragt leise. »Können wir wieder reingehen?«
    »Du brauchst ihnen nicht zu antworten«, entgegnet Kenzie leise.
    »Aber ich muss mir anhören, was sie rufen.«
    »Beachte sie gar nicht.« Sie nimmt Faith’ Hand und führt sie zur Schaukel. »Spiel. Ich passe auf, dass dir niemand etwas tut.«
    Bei den Medienvertretern bricht die Hölle los - sie photographieren, filmen und rufen ihre Fragen. »Mach die Augen zu«, ruft Kenzie über den Lärm hinweg. »Leg den Kopf weit zurück.«
    Kenzie macht es Faith auf der Nebenschaukel vor. Faith mustert sie eine Weile, dann beginnt sie zögernd zu schaukeln, und ein zaghaftes Lächeln legt sich auf ihre Lippen.
    Die Presse veranstaltet weiterhin ein Riesenspektakel, und in der Ferne stimmt eine volle Altstimme »Amazing Grace« an. Aber Faith schaukelt weiter. Und dann schlägt sie plötzlich die Augen wieder auf, während sie vor- und zurückschwingt. »Kenzie!«, ruft sie. »Sehen Sie mal, was ich kann!« Kenzie bleibt fast das Herz stehen, als das kleine Mädchen an ihrer Seite die Ketten loslässt und in die Luft springt.
    Das Fragengewitter verstummt; alle halten die Luft an, einschließlich Kenzie. Hundert Kameras halten fest, wie das Mädchen mit ausgebreiteten Armen wie ein Vogel durch die Luft fliegt.
    Und dann landet sie ungelenk mit einem dumpfen Aufprall und einem Kichern auf dem Boden, knickt um und fällt.
     
    Ich beobachte sie vom Wohnzimmer aus durch die waagerechten Stäbe der Jalousie. Ich fühle, wie es in mir wächst wie ein Tumor, etwas, das ich nicht mehr empfunden habe, seit ich nach Hause gekommen bin und Colin mit einer anderen überrascht habe.
    Ich bin so eifersüchtig auf Kenzie Van der Hoven, dass es mir die Luft abschnürt.
    Meine Mutter tritt hinter mich. »Es gibt Leute, die ihre Jalousien mit einem Staubwedel sauber halten.«
    Sofort trete ich vom Fenster zurück. »Siehst du, was sie tut? Siehst du das?«
    »Ja, und es macht dich wahnsinnig.« Meine Mutter lächelt. »Du wünschst, du wärst drauf gekommen. Und warum bist du das nicht?«
    Sie geht, bevor ich mir eine Ausrede ausdenken kann. Warum bin ich nicht mit Faith zum Spielen nach draußen gegangen? Natürlich gibt es dafür einen offensichtlichen Grund, die Horde der Reporter, die wie Barrakudas auf den geringsten Happen lauern. Andererseits, wen kümmert das? Sie haben, auch wenn sie sich nicht im Freien gezeigt hat, über sie berichtet, sogar, als sie weit weg war in Kansas

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