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Die Wahrheit der letzten Stunde

Die Wahrheit der letzten Stunde

Titel: Die Wahrheit der letzten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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ist, ist hartnäckig und läutet immer wieder. »Mamü«, ruft Faith und kommt in die Diele gelaufen. »Jemand klingelt dauernd an der Tür, und mir hast du immer gesagt, dass man das nicht tut.«
    »Herr im Himmel!« Ich sage meiner Mutter, sie soll die Polizei anrufen und verlangen, dass schnellstens wieder ein Polizist an der Einfahrt postiert wird. Faith schicke ich aus der Diele, damit niemand sie sehen kann. Dann reiße ich so schwungvoll die Tür auf, dass diese gegen die Wand knallt.
    Die Frau trägt ein konservatives Kostüm und hat einen Notizblock und ein Diktiergerät in der Hand. Ich habe keine Ahnung, von welcher Zeitung oder Zeitschrift sie ist, aber ich habe genug von ihrer Sorte gesehen, um einen Reporter zu erkennen, wenn ich einen vor mir habe. »Menschen Ihres Schlages haben einfach keinen Respekt. Wie würde es Ihnen gefallen, wenn ich ungebeten bei Ihnen auftauchen würde, wenn Sie… wenn Sie gerade ein Bad nehmen wollten? Oder den Geburtstag Ihrer Tochter feiern? Oder … Gott, warum rede ich überhaupt mit Ihnen?« Ich schlage die Tür zu. Es klingelt wieder.
    Ich zähle bis zehn. Ich atme dreimal tief durch. Dann öffne ich die Tür gerade einen Spalt weit. »In sechzig Sekunden wird ein Polizist hier sein und Sie wegen unbefugten Betretens verhaften«, bluffe ich.
    »Das glaube ich kaum«, entgegnet sie kühl und klemmt sich Rekorder und Notizblock in eine Hand, um mir die andere reichen zu können. »Ich bin Kenzie van der Hoven, die von Richter Rothbottam bestellte Prozesspflegerin.«
    Ich schließe die Augen und hoffe, dass das alles nicht passiert ist, wenn ich sie wieder öffne, dass dann nicht Kenzie van der Hoven vor mir steht, verärgert von meinem alles andere als freundlichen Empfang. »Ich würde Sie gerne sprechen, Mrs. White.«
    Ich lächle schwach. »Nennen Sie mich doch Mariah?«, entgegne ich so locker ich kann und lasse sie eintreten.
     
    »Faith ist hier«, sage ich und führe die Prozesspflegerin in Richtung Wohnzimmer, wo meine Tochter gerade fernsieht, eine Belohnung dafür, dass sie die Matheaufgaben gelöst hat, die ich ihr gegeben habe. Meine Mutter sitzt neben ihr auf dem Sofa und streicht ihr geistesabwesend über das Haar. »Faith«, sage ich mit gespielter Unbekümmertheit, »das ist Ms. Van der Hoven. Sie wird etwas Zeit mit uns verbringen.« Meine Mutter sieht mich an; unsere Blicke begegnen sich. »Ms. Van der Hoven, das ist meine Mutter, Millie Epstein.«
    »Freut mich, Sie kennen zu lernen. Bitte nennen Sie mich doch Kenzie.«
    »Und das«, füge ich hinzu, »ist Faith.«
    Kenzie Van der Hoven kann bei mir gleich mehrere Pluspunkte für sich verbuchen, als sie neben Faith in die Hocke geht und auf den Fernseher schaut. »Ich liebe Arthur. D.W. mag ich am liebsten.«
    Faith schiebt vorsorglich ihre Hände mit den Pflastern unter die Oberschenkel. »Ich mag D.W. auch.«
    »Hast du die Folge gesehen, in der sie an den Strand fährt?«
    »Ja«, antwortet Faith, plötzlich lebhaft. »Und sie glaubt, es wäre ein Hai im Wasser!«
    Sie lachen beide, dann richtet Kenzie sich wieder auf. »Ich freue mich so, dich kennen zu lernen, Faith. Vielleicht könnten wir uns später ein bisschen unterhalten.«
    »Vielleicht«, entgegnet Faith, wieder misstrauisch.
    Ich gehe mit Kenzie in die Küche und biete ihr einen Kaffee an, den sie dankend ablehnt. »Normalerweise sieht Faith kaum fern. Nur höchstens zwei Stunden am Tag. Den Disney-Kanal oder den Kinder-Kanal.«
    »Mariah, ich möchte von Anfang an etwas klarstellen: Ich bin nicht der Feind. Ich bin nur hier, um ganz sicherzugehen, dass Faith dort lebt, wo sie am besten aufgehoben ist.«
    »Ich weiß. Und normalerweise bin ich auch nicht so … so schnippisch wie vorhin, als ich Ihnen geöffnet habe. Es ist nur so, dass eigentlich ein Polizist da sein sollte, um die Leute daran zu hindern, das Grundstück zu betreten, und…«
    »Sie waren nur vorsichtig, und das kann ich gut verstehen.« Sie mustert mich einen Moment und hält dann das Diktiergerät hoch. »Darf ich? Ich muss einen Bericht schreiben, und es hilft mir, wenn ich mir die Gespräche, die ich mit den Betroffenen geführt habe, noch einmal anhören kann.«
    »Bitte.« Ich nehme ihr gegenüber am Küchentisch Platz.
    »Was sollte der Richter Ihrer Meinung nach wissen?«
    Ich antworte nicht gleich. Ich muss an damals denken, als ich so viel zu sagen hatte und niemand bereit war, mich anzuhören. »Wird er denn zuhören?«
    Kenzie scheint von meiner Frage ein

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