Die Wahrheit der letzten Stunde
einmal dann, wenn ich Christin wäre.«
»Bei diesem Sorgerechtsverfahren geht es darum, wo Faith am besten untergebracht ist, Ma’am. Bei allem Respekt, aber das lässt nicht viel Raum für Gott.«
»Sehen Sie, und genau darin bin ich anderer Ansicht.« Millie kaut auf dem Daumennagel herum und schüttelt den Kopf. »Eine religiösere Frau als ich würde sagen, dass immer Raum ist für Gott, aber was heißt das schon. Meiner Meinung nach können Sie Ihre Arbeit nicht tun, ohne sich zu fragen, ob Sie an Gott glauben oder nicht. Tun Sie es nämlich nicht, dann müssen Sie davon ausgehen, dass Faith lügt - und das wird Sie in Ihrer Entscheidung dahingehend beeinflussen, wo sie am besten aufgehoben ist.«
»Mrs. Epstein, Sie sind keine Prozesspflegerin.«
Millie musterte Kenzie unverwandt. »Nein. Und Sie sind nicht ihre Großmutter.«
Ehe Kenzie hierauf etwas erwidern kann, kommt die Bedienung an ihren Tisch. »Wie geht es Ihnen, Millie?«, fragt sie im familiären Tonfall einer Kleinstadt, in der man sich noch persönlich kennt.
»Irene, backen Sie den Fisch und die Fritten in Canola-Öl?«
Die Bedienung lacht. »Das hier ist doch nicht das Vier Jahreszeiten. Soweit ich weiß, kommt es aus Mrs. Pauls Tiefkühler.«
Millie langt über den Tisch und tätschelt Kenzies Hand. »Nehmen Sie die Suppe. Davon wird Ihnen wenigstens nicht hinterher schlecht.«
Aber Kenzie bestellt nur eine Cola. »Was wir hier dringend brauchen ist ein Deliaktessengeschäft«, meint Millie.« Haben Sie eine Ahnung, wie lange es her ist, dass ich wirklich gute Pastrami gegessen habe?«
Kenzies Mundwinkel zuckt. »Ein ganzes Leben?«
Millie lacht. »Touche«, sagt sie und fährt mit dem Finger am Rand einer Packung Equal entlang. »Als Faith drei war, habe ich mit ihr Kaffeeklatsch gehalten. Sie kam zu mir rüber, wir holten das alte Leinen von meiner Großmutter heraus und zogen alte Hausmäntel aus den Vierzigern an, so mit pinkfarbenen Federn an den Ärmeln und am Kragen. Wie nennt man die Dinger noch gleich?«
»Marabu.«
»Genau. Marabu. Ist das eine Art Rentier?«
»Das heißt Karibu.« Kenzie lächelt. »Mrs. Epstein, ich habe Verständnis dafür, dass Sie sich um ihre Enkelin sorgen. Sie können versichert sein, dass ich darum bemüht bin, eine Entscheidung zu ihrem Besten zu treffen.«
»Nun, wenn Sie glauben, dass Faith lügt, dann muss das pathologisch und ansteckend sein. Ihre Mutter glaubt ihr nämlich, ebenso wie fünfhundert Menschen, die vor dem Haus kampieren, ganz zu schweigen von einem ganzen Stab von Medizinern, die wissen, dass mein Herzschlag ausgesetzt hat.«
Kenzie schweigt eine Weile, ehe sie hierauf etwas erwidert. »Erinnern Sie sich an die Radioübertragung vom >Krieg der Welten«
»Selbstverständlich. Mein Mann und ich hatten ebenso große Angst wie alle anderen.«
»Das ist alles, was ich dazu sage, Mrs. Epstein. Die Leute hören das, was sie hören wollen. Und sie glauben, was sie glauben wollen.«
Millie stellt ihr Wasserglas ab und fährt sich unbewusst mit einer Hand über das Herz. »Und was wollen Sie glauben, Ms. Van der Hoven?«
Kenzie zögert keine Sekunde. »Dass, wie immer meine Empfehlung lautet, sie für Faith die bestmögliche ist. Und Sie, Mrs. Epstein? Was wollen Sie glauben?«
Dass man die Zeit zurückdrehen kann. Dass Albträume aufhören. Dass meine Tochter Colin nie begegnet ist. »Ich will glauben, dass es einen Gott gibt«, sagt Millie klar und deutlich. »Ich weiß nämlich verdammt sicher, dass es den Teufel gibt.«
»Hunstead«, ruft Metz von seinem Thron am Ende des Konferenztisches aus, »Sie und Lee überprüfen das. Ich will eine Kopie ihres Flugtickets nach Kansas City …«
»Sir?«, fragt einer der Kanzleianwälte. »Sprechen wir hier von Kansas City in Missouri oder von Kansas City in Kansas?«
»Wo zum Teufel sind Sie in der vergangenen Stunde gewesen, Lee?«, knurrt Metz. »Hunstead, setzen Sie Ihren an partieller Amnesie leidenden Kollegen über das in Kenntnis, worüber wir bis jetzt gesprochen haben, während er von Baywatch geträumt hat.«
»Was ist mit den Autoverleihern?«, meint Hunstead. »Wenn Fletcher für einen fahrbaren Untersatz gesorgt hat, müsste der Name auf seinen Namen oder auf den seiner Produktionsgesellschaft gemietet worden sein. Sonst hätte Mariah White ihre Kreditkarte benutzt.«
»Sehr gut«, lobt Metz. »Prüfen Sie das nach. Außerdem will ich Kopien der örtlichen Hotelregister.«
Zwei Mitarbeiter, die zu Metz’
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