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Die Wahrheit der letzten Stunde

Die Wahrheit der letzten Stunde

Titel: Die Wahrheit der letzten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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müssen, oder? Beispielsweise einen besonders hohen Anteil weißer Blutkörperchen? Aber wenn es nichts Ernstes war, was führte dann zu so hohem Fieber?
    Ich will ihr nicht von der Seite weichen, aber ich weiß, dass ich eine Pflicht zu erfüllen habe. Ich verlasse das Zimmer und bitte darum, das Telefon der Schwesternstation benutzen zu dürfen. In Faith’ Zimmer drängen sich inzwischen zu viele Leute, als dass ich in Ruhe von dem Apparat an ihrem Bett aus anrufen könnte. Ich krame in meiner Handtasche und falte einen kleinen grünen Zettel mit einer Telefonnummer auseinander. »Jessica, hier spricht Mariah White«, sage ich gepresst. »Würden Sie Colin sagen, dass Faith’ Zustand sich verschlechtert hat?«
     
    Als Malcolm Metz seine Kanzlei betritt, nachdem ihn Elkland mit tausend Entschuldigungen aus dem Bett geholt hat - sie hatte Bereitschaft, als Colin White wie ein wildgewordener Stier in die Lobby gestürmt ist -, ist sein Haar noch nass von der Dusche, und seine Augen sind blutunterlaufen. Er ist stinksauer deswegen, weil er an Prozesstagen gerne möglichst gut aussieht. So wie die Dinge aber stehen, wird er bei der Verhandlung, die in fünf Stunden beginnt, so aussehen, als hätte er die Nacht durchgefeiert. Beim Anblick seines Mandanten bleibt er wie angewurzelt stehen. Colins Haar steht wild von seinem Kopf ab, und das Sakko sieht aus, als hätte er darin geschlafen … und ist das Blut da am Ärmel?
    »Heiland«, sagt Metz. »Sie sehen ja noch schlimmer aus als ich.«
    »Also«, beginnt Colin, ohne seinen Anwalt eines Blickes zu würdigen. »Es geht um Folgendes: Sie hat Schmerzen. Sie liegt in einem gottverdammten Krankenhaus. Und egal, was Sie sagen, die Leute hören sehr wohl auf das, was im Fernsehen gesagt wird, und es wird auch den Standpunkt des Richters beeinflussen. Denken Sie nur an diesen Kindermädchen-Prozess in Boston! Ich bezahle Ihnen einen Riesenberg Kohle, damit Sie den Fall für mich gewinnen. Und ich sage Ihnen, es geschieht mit ihr zu Hause, Malcolm. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Irgendetwas oder irgendjemand dort macht sie krank.«
    »Moment, langsam«, unterbricht Metz. »Wer ist krank? Wer ist im Krankenhaus?«
    Colin sieht ihn an, als hätte er den Verstand verloren. »Faith natürlich.«
    Metz’ Augen weiten sich. »Faith liegt im Krankenhaus?«
    »Sie hat gestern Abend angefangen zu bluten. Es ist vor meinen Augen passiert. Sie stand nur da und ganz plötzlich …« Er schüttelt den Kopf. »Gott, ich kann nur hoffen, dass sie mehr für sie tun können, als sie mit Medikamenten gegen die Schmerzen vollzupumpen. Ich meine … man blutet doch nicht einfach so, das muss doch einen G haben.«
    Metz hebt eine Hand. »Ihre Tochter ist im Krankenhaus«, stellt er noch einmal fest. »Ja.«
    »Sie ist unter Beobachtung.«
    »Richtig.«
    Ein Lächeln erhellt Metz’ Züge. »Gott, das ist einfach perfekt.« Als er Colins mörderischen Blick sieht, fährt er eilig fort. »Wir haben uns in Ihrem Fall eine neue Taktik überlegt, Colin, und zufällig passt Faith’ Krankenhauseinweisung exakt ins Bild.« Während Elkland Colin das Münchhausen-Syndrom erläutert, denkt Metz an seinen Eilantrag, den der Richter aus Daffke abgelehnt hat, der sich aber spätestens jetzt als Geniestreich erweisen wird. »Stellen Sie sich Folgendes vor: Wir betreten heute Morgen das Gericht und stellen einen Dringlichkeitsantrag, in dem wir Rothbottam eindringlich bitten, Faith aus dem Einflussbereich ihrer Mutter zu entfernen, weil sie in akuter Lebensgefahr schwebt. Als wir diesen Antrag das erste Mal gestellt haben, hat er geglaubt, wir würden bluffen, und sie bei ihrer Mutter gelassen. Aufgrund seiner falschen Entscheidung liegt das Kind jetzt im Krankenhaus. Ich werde ihm darlegen, worum es sich beim Münchhausen-Syndrom handelt, und ihm erklären, dass mein Gutachter die Dringlichkeit unseres Antrages bestätigen wird. Anschließend beantrage ich einen richterlichen Beschluss, wonach Mariah sich von Faith fernzuhalten hat. Der Richter wird sich so schuldig fühlen wegen des ersten abgelehnten Antrags, dass er mir aus der Hand fressen wird.«
    Colin funkelt ihn böse an. »Von diesem Münchhausen-Dingsda habe ich noch nie etwas gehört.«
    Metz grinst selbstzufrieden. »Hatte ich auch nicht. Aber wenn die Anhörung erst vorbei ist, werden wir beide Experten auf diesem Gebiet sein.«
    Er schüttelt den Kopf. »Ich weiß nicht, Malcolm. Mariah … na ja, sie mag ja manchmal etwas ichbezogen

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