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Die Wahrheit der letzten Stunde

Die Wahrheit der letzten Stunde

Titel: Die Wahrheit der letzten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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nicht getan, also tu es auch jetzt nicht.«
    »Mariah, Liebes, wir müssen zum Gericht.« Millie tippt auf ihre Armbanduhr. »Zehn Uhr.«
    »Ich gehe nicht hin.«
    »Du hast gar keine andere Wahl.«
    Mariah wirbelt so schwungvoll herum, dass ihre Mutter erschrocken einen Schritt zurückweicht. »Ich werde nicht gehen. Ich werde sie nicht allein lassen.« Sie streichelt Faith’ Wange. »Ich habe sehr wohl die Wahl.«
     
    Das einzige Zugeständnis von Joan Standishs Seite an die Tatsache, dass sie dem berühmt-berüchtigten Malcolm Metz im Gerichtssaal gegenübertreten muss, sind fünfzehn Minuten zusätzliches Po-Training im Rahmen ihrer täglichen Gymnastik gewesen. Sie macht ihre Übungen zwischen Zähneputzen und Frühstückskaffee, eine anspruchsvolle Folge von Kniebeugen, Sprüngen und Hantelübungen, nach denen sie hellwach und schweißnass ist. Sie stellt sich dabei gerne Metz vor, malt sich aus, wie er auf ihren Po starrt, nachdem sie den Fall gewonnen hat und hüftenschwingend den Flur des Gerichts hinunterstolziert.
    Auch am Morgen der Verhandlung macht sie ihre Übungen, duscht anschließend und nimmt ein rotes Wollkostüm aus ihrem Schrank. Es ist konservativ geschnitten, aber die Farbe ist auffällig, und sie ist gewillt, jeden Trumpf auszuspielen, um die Aufmerksamkeit aller Anwesenden von Malcolm Metz abzulenken.
    Irgendwann bei einer Schüssel Mini Cinis fällt ihr ein, dass sie noch tanken muss. Joan lobt sich selbst dafür, dass sie alles so gut im Griff hat; vielleicht verspätet Metz sich gerade um zehn Minuten, weil er vergessen hat, den Wagen aufzutanken. Sie wäscht sich die Hände, wobei sie darauf achtet, ihr Kostüm nicht nass zu spritzen, und greift dann nach dem Aktenkoffer, den sie schon am Vorabend gepackt hat.
    Zwanzig Minuten vor der Zeit verlässt sie das Haus. Es kann nie schaden, etwas früher da zu sein. Und so hört sie nicht mehr, wie das Telefon läutet, kurz nachdem die Wohnungstür hinter ihr zugefallen ist.
     
    Joan fühlt, wie die Pyramide der Ruhe und Gelassenheit, die sie um ihr Anwalts-Ich herum errichtet hat, zu bröckeln beginnt, als Millie Epstein ihr sichtlich erregt entgegeneilt. »Sagen Sie mir, dass Mariah nur auf der Toilette ist«, sagt Joan angespannt.
    »Im Krankenhaus. Ich habe versucht, Sie anzurufen, aber Sie waren wohl schon weg.«
    »Was?«
    »Nicht, was Sie denken«, fährt Millie hastig fort. »Es geht um Faith. Sie ist schwer krank, und Mariah hat sich geweigert, sie allein zu lassen.«
    »Gottverdammt«, flucht Joan, als Malcolm Metz nebst Colin und einer jungen Kollegin auf den Tisch des Klägers zusteuern.
    »Joan«, sagt Metz freundlich. »Einen Witz: Was ist der Unterschied zwischen einem Anwalt und einem Wels?«
    »Nicht jetzt.« Joan nimmt am Rande wahr, dass der Z schauerraum, der normalerweise bei Sorgerechtsverhand lungen leer ist, bis auf den letzten Platz besetzt ist Medienvertretern.
    »Der eine ist ein hässlicher Schlammfresser und der dere nur ein Fisch«, fährt Metz unbeirrt fort.
    »Beziehen Sie das auf sich selbst, Malcolm«, erwidert Joan und nimmt ihre Akten aus der Tasche.
    »Erheben Sie sich bitte für den Ehrenwerten Richter A. Warren Rothbottam!«
    Joan steht auf und hebt den Blick im allerletzten Moment. Richter Rothbottam blättert flüchtig in der Akte vor ihm auf dem Richtertisch und blickt dann vom Tisch des Klägers zu jenem des Beklagten. »Ms. Standish. Fehlt Ihnen etwas?«
    »Meine Mandantin, Euer Ehren. Darf ich vortreten?«
    Rothbottam seufzt. »Ich wusste doch, dass dieser Fall nicht ohne Komplikationen abgehen wird. Kommen Sie, treten Sie vor.«
    Metz baut sich neben Joan auf, auf dem Gesicht den Ausdruck eines Katers, der eben eine Schale Sahne geschleckt hat. »Euer Ehren«, beginnt Joan. »Es ist ein schrecklicher Notfall eingetreten. Die Tochter meiner Mandantin wurde gestern Abend ins Krankenhaus eingewiesen, und Mrs. White wollte sie unter keinen Umständen alleine lassen. Ich beantrage eine Vertagung, bis das Mädchen aus der Klinik entlassen wird.«
    »Im Krankenhaus?« Rothbottam wirft einen Blick auf Metz, der mit einem Nicken den Tatbestand bestätigt. »Liegt sie im Sterben?«
    »Das glaube ich nicht«, antwortet Joan. »Soweit ich weiß, leidet Faith an medizinisch unerklärlichen Blutungen.«
    »Sogenannten Stigmata«, wirft Metz ein.
    »Diese Diagnose haben die Ärzte noch nicht eindeutig gestellt«, entgegnet Joan knapp.
    »O ja, richtig. Es könnte ja etwas noch Schlimmeres sein.«
    Rothbottam

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