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Die Wahrheit der letzten Stunde

Die Wahrheit der letzten Stunde

Titel: Die Wahrheit der letzten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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gelingen; die Bilder sind zu verschwommen und zu fem, um der Erinnerung gerecht zu werden. Vielleicht ist das immer so bei einem Versagen in Herzensangelegenheiten. Vielleicht überarbeitet man die eigene Geschichte so lange, bis die Geschichten, die man erzählt, Legenden werden, in denen das Negative nie stattgefunden hat. Andererseits brauche ich nur Faith anzusehen, um zu wissen, dass ich mir etwas vormache.
    Ich werfe die Post auf den Küchentisch wie einen Fehdehandschuh. Das Schlimmste an einem solchen Ende ist das Bewusstsein, dass vor einem die kaum zu bewältigende Aufgabe des Neuanfangs liegt.
    »Gott steh mir bei«, sage ich, schlage die Hände vor das Gesicht und weine.
     
    »Mami«, ruft Faith und kommt in die Küche gelaufen. »Es gibt ein Buch über mich!« Sie tanzt um mich herum, während ich Möhren für das Abendessen klein schneide. »Können wir es kaufen? Ja, können wir?«
    Ich blicke auf sie hinab, weil ich sie lange nicht mehr so lebhaft gesehen habe. Das Risperdal hat sie anfangs müde und benommen gemacht. Erst in den letzten Tagen scheint es, als hätte der Körper diese Nebenwirkungen überwunden. »Ich weiß nicht. Wo hast du denn davon gehört?«
    »Meine Beschützerin hat mir davon erzählt«, antwortet sie, und ich verspüre wieder das inzwischen vertraute Ziehen in den Eingeweiden. Faith schiebt einen Schemel unter die Memo-Tafel und kritzelt sehr konzentriert darauf >Häreber<. »Das ist der Mann, der es geschrieben hat. Bitte?«
    Ich blicke auf die Möhrenstifte, die wie Mikadostäbchen auf dem Hackblock liegen. Dann auf das Hähnchen, nackt und rot von Paprikapulver oben auf dem Herd. Zur Bücherei in der Stadt sind es mit dem Wagen nur zehn Minuten. »Okay. Hol deinen Büchereiausweis.«
    Faith ist so aufgeregt, dass ich ein schlechtes Gewissen habe, da ich vorhabe, dies als Beweis dafür zu benutzen, dass ihr Verstand ihr einen Streich spielt. Wenn sich herausstellt, dass es keinen LI. Häreber gibt, wird sie mir vielleicht endlich glauben, dass es auch keine Beschützerin gibt.
    Und tatsächlich findet sich weder im Computer noch in dem alten verstaubten Bibliotheksregister ein Hinweis auf einen Autor dieses Namens. »Ich weiß nicht, Faith. Das sieht nicht gut aus.«
    »Die Bibliothekarin in der Schule hat gesagt, dass weil unsere Stadt so klein ist, wir oft Bücher aus Bibliotheken anderer Schulen ausleihen müssen. Dazu muss man nur eine Karte ausfüllen. Vielleicht sollten wir die Bibliothekarin fragen.«
    Bitte sehr, denke ich. Ich nehme Faith’ Hand und steuere die Kinderabteilung an. »Wir suchen ein Buch von einem gewissen LI. Häreber.«
    »Ein Kinderbuch?«
    Faith nickt. »Es handelt von mir.«
    Die Bibliothekarin lächelt. »Ich nehme an, Sie haben schon im Register nachgesehen. Der Name sagt mir nichts.« Plötzlich hält sie inne und tippt sich mit dem Finger ans Kinn. »Wie alt bist du?«
    »Ich werde in zehneinhalb Monaten acht.«
    Die Bibliothekarin hockt sich vor sie. »Woher weißt du von diesem Buch?«
    Faith wirft mir einen Blick zu. »Jemand hat mir den Namen gezeigt. Ihn mir aufgeschrieben.«
    »Aha.« Die Bibliothekarin nimmt ein Stück Papier von ihrem Schreibtisch. »Ich habe mal Grundschüler der ersten Klasse unterrichtet. Es ist ganz normal in dem Alter, dass Kinder Buchstaben verdrehen.« Sie setzt die Buchstaben aus dem Namen des Autors anders zusammen. »Siehst du. Das ergibt schon mehr Sinn.«
    Faith betrachtet das Wort stirnrunzelnd und liest es laut vor. »Was ist ein HEBRÄER?«
    »Ich glaube, das Buch, das du suchst, ist gleich hier drüben«, sagt die Bibliothekarin und nimmt eine Bibel aus dem Regal mit den Nachschlagewerken. Sie schlägt den Brief an die Hebräer auf, Kapitel 11, und zwinkert ihr zu.
    »Das ist es!«, ruft Faith strahlend, als sie das Wort »Glaube« entziffert, von dem sie weiß, dass es für die Bedeutung ihres Vornamen steht. »Es handelt von mir!«
    Ich starre auf die Seite, vierzig Verse darüber, was der Glaube schon alles bewirkt hat.
    Faith beginnt zu lesen und stolpert immer wieder über einzelne Wörter. »Es ist aber der Glaube, das … feste Vertrauen auf das Er…«
    »Erhoffte.«
    »>Erhoffte<«, fährt sie fort. »>Ein Überzeugtsein von dem, was man nicht sieht.<« Während sie weiterliest, schließe ich die Augen und versuche, eine plausible Erklärung für das zu finden, was gerade geschehen ist. Faith könnte diesen Abschnitt schon einmal irgendwo gesehen und erkannt haben, das es um Glauben geht, das

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