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Die Wahrheit des Alligators

Die Wahrheit des Alligators

Titel: Die Wahrheit des Alligators Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massimo Carlotto
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zu müde. Wir riskieren, kostbare Zeit zu verlieren. Der einzige, der dieses neue Geheimnis aufklären kann, ist Magagnin, und jetzt geh ich hin und rede mit ihm. Ich nehme auch die Kopien von den Fotografien mit. An irgendwas wird er sich schon erinnern … wenn er nicht zu vollgepumpt ist mit Drogen, versteht sich.«
    »Was soll das heißen, Sie wollen die ganze Aktenmappe mitnehmen? Erinnern Sie sich, daß ich auf informellem Weg daran gekommen bin, und obendrein habe ich sie noch nicht ganz durchgesehen.«
    »Keine Sorge, morgen gebe ich sie Ihnen zurück.« Sie krallte sich an meiner Schulter fest. »Überzeugen Sie ihn davon, daß er mit mir reden soll. Er muß sich so schnell wie möglich stellen. Noch kann er sich retten. Er ist unschuldig, ich werde das beweisen können.«
    »Ich werde es versuchen, aber haben Sie schon mal daran gedacht, daß womöglich der einzige Weg, von ihm angehört zu werden, der sein könnte, zu ihm hinzufahren?«
    »Lieber nicht. Wenn das bekannt würde, würde das dem Image der Verteidigung nur schaden. Es ist besser, daß er hierher kommt, in die Kanzlei, und daß wir dann gemeinsam zum Richter gehen.«
    »Ich glaube nicht, daß er von dem Vorschlag begeistert sein wird. Ich werde jedenfalls versuchen, ihn davon zu überzeugen. Morgen im Lauf des Vormittags rufe ich Sie an … und schalten Sie dieses blöde Handy nicht wieder aus, bitte!« Im Wagen berichtete ich Benjamino von meiner Entdeckung. »Also Marco, wenn ich das recht verstehe, dann hat jemand diese Zeiger verstellt; und zwar jemand, der zwischen dem Zeitpunkt, als du das Haus verlassen hast, also gegen Mitternacht des 28., und dem Eintreffen der Polizei, so gegen fünf Uhr früh des 29., in dieses Haus eingedrungen ist, stimmt’s?«
    »5 Uhr 25«, korrigierte ich ihn aus dem Protokoll der Spurensicherung. »Magagnin?«
    »Ich wüßte nicht, wer sonst, auch wenn es mir unwahrscheinlich vorkommt, daß er beschlossen haben soll, an diesen Ort zurückzukehren. Das ergibt keinen Sinn.«
    »Die ganze Geschichte ergibt keinen.«
    Wieder betraten wir das Landhaus von hinten durch die Küchentür. Wir fanden ihn auf dem Sofa ausgestreckt, der Fernseher lief noch immer: Charlie Chaplin war mit einem Wachmann mit großem Schnurrbart, Knüppel und finsterem Blick zugange. Aber Magagnin lachte nicht. Er war tot. Der linke Arm war mit einem Schnürsenkel abgebunden, eine Spritze steckte in einer geschwollenen Vene. Ich faßte ihn an, er war noch warm.
    »Überdosis«, kommentierte Benjamino.
    »Ja.« Ich nahm das Tütchen mit dem Heroin in die Hand. Es fehlte ’ne ganze Menge. »Meinst du, er hat sich umgebracht?«
    »Ich würde es nicht ausschließen. Er fühlte sich völlig am Ende.«
    »Kommt er dir nicht, wie soll ich sagen, länger vor?«
    »Ja, Leichen sehen immer größer aus.«
    Wir blieben noch ein paar Minuten vor ihm stehen und betrachteten ihn, dann sprach Benjamino das Problem an: »Was machen wir mit ihm?«
    »Ich denke gerade darüber nach«, ich wog die Aktenmappe in der Hand, »mach mir bitte eine ordentliche Portion Kaffee. Ich will mir diesen Papierkram hier aufmerksam durchlesen, bevor ich was entscheide.«
    Ich setzte mich in einen Sessel gegenüber vom Sofa und Magagnins Körper. Beim Umblättern fiel jedesmal unweigerlich mein Blick auf diesen Arm mit der Spritze darin. Ich las noch einmal den Bericht der Spurensicherung, er sagte mir nichts Neues. Ich ging zum Autopsiebericht über. Bei der Abfassung des Gutachtens hatte der Richter sich an den üblichen Fragenkatalog gehalten: Todesursache, Zeitpunkt des Todes, Mittel, die ihn herbeigeführt haben. Bei Verletzungen gleich welcher Art, die auf Verursachung durch eine andere Person zurückzuführen sind, sind die jeweiligen Positionen zueinander zu bestimmen. Schließlich sind Gewebsproben zu entnehmen und histiologischen bzw. toxikologischen Untersuchungen zu unterziehen.
    Gleich auf der ersten Seite versuchte der Gutachter, sich abzusichern, indem er auf die endgültige Fassung des Berichts verwies, die sich auf sämtliche Laborwerte würde stützen können, die aber nicht vor Ablauf eines Monats vorliegen würde. Vorläufig mußte man sich also mit einer Beschreibung begnügen, ein paar Daten und vielen Vermutungen. Die Beschreibung stimmte mit der der Spurensicherung überein, auch was die Uhrzeit auf der Uhr des Opfers betraf. Unter den wenigen angeführten Laborwerten machte mich einer besonders stutzig: Im Urin der Piera Belli war eine beträchtliche

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