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Die Wahrheit des Alligators

Die Wahrheit des Alligators

Titel: Die Wahrheit des Alligators Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massimo Carlotto
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Konzentration von Benzoylekgonin festgestellt worden. Der Wert wurde kommentarlos angeführt, aber jeder, der im Knast gewesen ist, weiß, daß Benzoylekgonin das wichtigste Stoffwechselprodukt von Kokain ist. Hinsichtlich einer Sache hatte Magagnin also bestimmt nicht gelogen: Die beurlaubte Lehrerin, die einstige Geschworene am Schwurgericht, schnupfte Kokain. Nun paßte das alles noch weniger zusammen. Ab und zu unterbrach ich die Lektüre, um einen Schluck von dem Kaffee zu trinken, den Benjamino mir in der Zwischenzeit gemacht hatte. Sehr stark und mit viel Zucker, so, wie wir es beide im Knast gelernt hatten. Ich trank ihn ganz mechanisch: Eigentlich brauchte ich ihn gar nicht mehr, denn ich fühlte mich mittlerweile völlig klar im Kopf. Im Grunde wäre es mir wohl lieber gewesen, mein Freund hätte mir was Alkoholisches angeboten, vielleicht hätte mir das geholfen, die Unruhe zu vertreiben, die ich jetzt empfand, sie lag mir wie ein Kloß im Magen.
    Das Protokoll verzeichnete 49 Stichwunden, zugefügt mit einem spitzen Messer mit drei Zentimeter breiter Klinge, aller Wahrscheinlichkeit nach einem Käsemesser, bei dem die Klinge sofort breit wird und der Griff fest in der Hand liegt, so daß die Wundränder nicht gequetscht werden, was auf ein Zustechen mit der Faust und nicht mit der Hand schließen läßt. Die Vermutung einer so ausgefallenen Waffe wurde dadurch nahegelegt, daß sämtliche Stiche, außer dreien, nur ein oder zwei Zentimeter tief ins Fleisch eingedrungen waren. Von den dreien – der erste im rechten Lungenflügel war dreieinhalb Zentimeter tief, der zweite in der Leber vier Zentimeter und der letzte am Halsansatz fünf Zentimeter, klaffend und mit unregelmäßigen Rändern – erwies sich keiner als unmittelbar tödlich. Ein Liter Blut im Magen sprach dafür, daß sich Piera Belli, sobald auf sie eingestochen wurde, instinktiv am Boden zusammengekauert hatte, um sich zu schützen. Dabei war sie zweifellos noch wach und bei vollem Bewußtsein gewesen.
    Sie hatte dann reglos so verharrt, während der Mörder zustach, und angefangen, ihr Blut zu schlucken, das in die Speiseröhre eingedrungen war. Die Agonie hatte zwischen zehn und zwanzig Minuten gedauert. Nach und nach war Benommenheit eingetreten, dann Bewußtlosigkeit und schließlich der Tod, der nicht so sehr durch den Blutverlust verursacht wurde, als vielmehr durch Ersticken, durch Bedecken des Körpers und des Rumpfes mit den Kissen vom Sofa.
    Hinsichtlich dieses merkwürdigen Details stellte der Gutachter die Vermutung auf, der Mörder habe es nicht länger ausgehalten, diese geweiteten und glänzenden Augen zu sehen, wie sie für die erste Phase des Schocks typisch sind. Daß die Dinge wirklich überhaupt nicht zusammenpaßten, wurde mir endgültig klar, als ich die Mutmaßungen über den Zeitpunkt des Todes las.
    Die Leiche zeigt erste Anzeichen von Blähung durch Verwesung sowie beginnendes Heraustreten der Augäpfel, sie weist einen froschmaulartig vortretenden Mund auf, oberflächliche Hautablösungen, offenbare Fettleibigkeit und entsprechend einschnürende Kleidung, Verlust von Urin, massiv geblähten Bauch, große grüne Flecken über dem Abdomen, übergehend in die schwärzlichen der Hypostase, reichlich Fliegenlarven auf den Wunden, Austritt einer schwärzlichen Flüssigkeit aus den Öffnungen von Mund und Nase. In Anbetracht der jahreszeitlichen Temperatur, der Enge und schlechten Belüftung des Raums, der einschnürenden Wirkung der getragenen Kleidung und der drei Kissen, die die Leiche bedeckten, können wir vermuten, daß der Tod mindestens drei Tage vor Auffindung derselben eingetreten ist.
    Diese Schlüsse haben keinerlei wissenschaftlichen Charakter, stützen sich lediglich auf langjährige Erfahrung. Eine Rekonstruktion des Verwesungsvorgangs würde die exakte Kenntnis der thermischen Veränderungen, Stunde um Stunde, voraussetzen. Gleiches gilt für die Belüftung, die direkte oder indirekte Sonneneinstrahlung, die Todesursachen, Dauer der Agonie, den Zeitraum seit Einnahme der letzten Mahlzeit, Art der verzehrten Speisen, Beschaffenheit und Aggressivität der Darmflora, die molekulare Zusammensetzung der Proteine und alle weiteren möglichen Varianten in der biologischen Zusammensetzung der Materie. In der Tat wird der Verwesungsprozeß vorangetrieben von Keimen, die aus dem Darm aufsteigen, nachdem sie sich beim Tod des Wirtsorganismus rapide vermehrt haben.
    Selbst wenn wir alles wüßten, würden ein

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