Die Wahrheit des Alligators
Anwalt.«
»Da hast du recht. Meiner Ansicht nach ist sie gefühlsmäßig tief in die Sache verstrickt … ich habe den Verdacht, da gibt es noch andere Wahrheiten zu entdecken. Schade, daß der einzige, der uns helfen könnte, Licht in die Sache zu bringen, unter einer anständigen Schicht Tiefkühlkost begraben liegt.«
»Dottore Galderisi, bitte.«
»Der ist nicht in der Redaktion. Er hat frei.«
»Können Sie mir bitte seine Privatnummer geben?«
Mit einem Grunzen wurde am anderen Ende der Leitung die Verbindung unterbrochen. Der Telefonist war entschieden kein besonders liebenswürdiger Typ.
Im Telefonbuch nachzusehen, war völlig zwecklos, weil die Journalisten zu den Berufsgruppen gehören, die immer seltener darin auftauchen, aber gegen eine bescheidene Summe konnte ich direkt bei der Telefongesellschaft nachfragen: Ich kannte da einen Typen, der sich gerne eine Kleinigkeit dazuverdiente.
»Giovanni Galderisi?«
»Ja?«
»Ich bin der mysteriöse Anrufer im Fall Belli.«
»Aha! Und was kann ich für Sie tun?«
»Ich habe Ihren Artikel gelesen und dachte, ich rufe Sie an, um Ihnen meine Anerkennung auszusprechen.«
»Sonst nichts?«
»Eigentlich doch. Ich dachte, Sie könnten vielleicht auch an ein paar Dingen Interesse haben, die mit dem Mord zusammenhängen und die noch nicht entdeckt worden sind.«
»Zum Beispiel?«
»Daß zwischen Magagnin und der Toten ein Verhältnis bestand, das nun schon eine Weile dauerte, und daß die unbescholtene Lehrerin und ehemalige Geschworene dem Drogengenuß ergeben war. Und daß Magagnin unschuldig ist.«
»Können Sie das alles beweisen, was Sie da sagen?«
»Nur zum Teil, aber für einen Journalisten ist das doch ein gefundenes Fressen, scheint mir.«
»Das wird sich zeigen. Aber was ist mit Ihnen, welche Rolle spielen Sie in der Geschichte?«
»Aber kommen Sie, Dottor Galderisi, enttäuschen Sie mich nicht mit so wenig professionellen Fragen.«
»Sagen Sie mir wenigstens, warum Sie sich an mich gewandt haben.«
»Weil Sie der einzige sind, der sich Fragen gestellt hat und nicht begeistert auf die Hypothese der Anklage eingegangen ist. Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Ich liefere Ihnen die Nachrichten, und Sie veröffentlichen sie.«
»Um für Magagnins Unschuld einzutreten? Sie wissen, daß ich das nicht kann.«
»Ich weiß. Mir geht es nur darum, daß die Paduaner morgens aufstehen und zum Zeitungskiosk stürzen, um die neuesten Nachrichten in der Sache zu lesen; ich will, daß in der Stadt von nichts anderem die Rede ist.«
»Geben Sie mir die Zeit, mit dem Chefredakteur darüber zu sprechen.«
»Ich rufe Sie morgen abend wieder an.«
Der alte Rossini hatte das Gespräch mit angehört, die Arme verschränkt und mit dem Ausdruck unverhohlener Mißbilligung. »Du hattest mir geschworen, daß wir den Arsch bedeckt halten würden, und dann telefonierst du als erstes mit der Presse.«
»Komm, Partner, das ist ein genialer Schachzug. Wenn Galderisi sich entschließt, uns zu helfen, haben wir gleich zwei Vorteile davon. Erstens würden Bullen und Richter sich unter Druck fühlen und vielleicht sogar selbst etwas herausfinden. Zweitens, und das ist wichtiger, wir verhindern, daß der Mörder sich allzusehr in Sicherheit wiegt.«
»Und welche Geniestreiche hast du noch auf Lager?«
»Heute nacht zeig’ ich dir das Haus der Belli. Dort suchen wir das Versteck, von dem Magagnin erzählt hat. Wenn es wirklich existiert, könnten wir auf einige Fragen eine Antwort finden.«
»Ich habe verstanden. Wir riskieren mal wieder den Knast.« Wir kehrten in die Bar im Forcellini-Viertel zurück: Calvados, Wodka und Klimaanlage. Es war gerade sechs Uhr abends vorbei, und wir mußten unseren Besuch im Haus Belli noch vorbereiten.
»Ich glaube nicht, daß das leicht wird. Der Ort, an dem ein Mord verübt worden ist, zieht immer eine Menge neugieriger Blicke an«, begann Benjamino.
»Das stimmt. Aber dieses Haus liegt in einer wenig belebten Straße. Wenn wir ungesehen zu Fuß hinkommen, dann wird alles glatt gehen. Gehen wir beide rein, oder soll einer draußen bleiben und Schmiere stehen?«
»Beide rein. Auf der Straße oder im Garten rumzustehen, ist gefährlicher, das fällt zu sehr auf. Bevor die Geschäfte schließen, müssen wir noch in eine Eisenwarenhandlung und das nötige Werkzeug besorgen. Die Chirurgenhandschuhe sind bei den ›Teilen‹ im Auto.«
»Wir sollten ins Einkaufszentrum gehen. Das ist der ideale Ort für unsere Art von Einkäufen: Der
Weitere Kostenlose Bücher