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Die Wahrheit des Alligators

Die Wahrheit des Alligators

Titel: Die Wahrheit des Alligators Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massimo Carlotto
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ist immer voller Menschen, weil er klimatisiert ist.«
    Sobald es dunkel war, machten wir einen Erkundungsgang, und Benjamino beschloß, daß wir durch das Fenster an der Rückseite des Hauses einsteigen würden, das durch eine dichte Buchsbaumhecke weniger gut zu sehen war.
    Vier Stunden später sprangen wir über die Einzäunung. Der alte Rossini bewegte sich behende wie eine Katze. Seine Gegenwart gab mir Sicherheit.
    Bevor er den Fensterladen mit einem kurzen Brecheisen aus den Angeln hob, kontrollierte er, ob nicht Sensoren einer Alarmanlage angebracht waren. Dann schnitt er die Fensterscheibe auf der Höhe des Griffs mit einem Glasschneider auf. Mit abgeblendeten Taschenlampen begannen wir, das Haus, beim Erdgeschoß angefangen, zu durchsuchen.
    In dem Raum, wo ich auf die Leiche der Piera Belli gestoßen war, fanden wir hinter einem Bücherregal auch das Versteck. Das Bücherregal bedeckte zwei Wände. Nachdem wir die Regale leergeräumt und die Rückwände abgeklopft hatten, erkannten wir, daß der Teil an der schmäleren Wand hinten hohl war. Man brauchte nur leicht dagegenzudrücken, um festzustellen, daß das Regal auf Rollen lief, und so hatten wir es im Nu beiseite geschoben. Das Versteck war eine ungefähr zwei Quadratmeter große Kammer, deren Tür entfernt worden war. Einfach, aber genial. Ohne Einblick in die Grundrißzeichnungen des Hauses war es praktisch unmöglich, die Existenz dieses winzigen Kämmerchens zu entdecken. Die Polizei hatte nicht einmal danach gesucht; im übrigen hatte sie auch keinerlei Anhaltspunkte, die auf das Vorhandensein von Geheimnissen im Leben der Professoressa schließen ließen.
    Am Boden standen vier große, elegante Pappschachteln, verziert mit einem Blumenmuster auf dunkelblauem Grund.
    »Besorg eine Tasche oder einen Koffer, worin wir die unterbringen können«, befahl ich Benjamino, während ich mich hinunterbeugte, um den Inhalt zu studieren. Papiere, Fotografien, Briefe, ein Tütchen mit einigen Gramm Kokain, eine Polaroid-Kamera, ein Richtertalar samt Barett, ein paar Peitschen, Handschellen und sonstige Sado-Maso-Ausrüstung und ein paar Schmuckstücke. Magagnin hatte die Wahrheit gesagt. Begeisterung erfaßte mich. Ich hatte große Lust, aus diesem Haus weg und an einen sicheren Ort zu gehen, wo wir unseren Fund in Ruhe untersuchen konnten. Benjamino kam mit einem großen, weichen Ledersack wieder. »Ich habe den hübschesten ausgesucht, und wie es aussieht, behalte ich den auch. Damit mach ich garantiert ’nen tollen Eindruck.« Wir nahmen nur die Papiere und die Fotos. Dann rückten wir das Bücherregal sorgfältig wieder an seinen Platz, und damit die Polizei nicht erkannte, welches Ziel dieser Einbruch gehabt hatte, warfen wir in anderen Zimmern den Inhalt von Schubladen und Schränken durcheinander. Sicher würden sie auf Einbruch durch ungeschickte Diebe tippen. Bei der Mautstelle an der Ausfahrt von Mestre gerieten wir in eine Polizeikontrolle. Zum Glück waren die Carabinieri damit beschäftigt, den Wohnwagen einer Familie von Zigeunern auseinanderzunehmen; dennoch, um Überraschungen zu vermeiden, beschloß Benjamino, bis Punta Sabbioni auf der Landstraße zu fahren.
    Wir räumten den großen rechteckigen Tisch im Wohnzimmer leer und begannen, das Material Schachtel für Schachtel zu sichten. Zuerst die Fotografien. Die älteren waren sorgfältig in versiegelten Umschlägen aufbewahrt. Sie zeigten Paare oder Trios, manchmal eine einzelne Person. Insgesamt zwei Frauen – unsere Professoressa und eine Freundin – und sechs Männer waren bei jeder Art von sadomasochistischen Praktiken verewigt. Interessant war zu beobachten, daß die zwei Frauen bei jedem Treffen anwesend waren, während die Männer jeweils einzeln teilnahmen.
    Die Freundin der Belli war eine Brünette um die 35, ein aparter Typ. Leider waren die Gesichter nur auf wenigen Fotos deutlich zu erkennen, und die legte ich beiseite in der Hoffnung, sie mit den dazugehörigen Namen und Nachnamen versehen zu können.
    Der alte Rossini schüttelte den Kopf. »Ist ja nicht zu fassen … Und diese Schnepfe hier«, lachend wies er auf die Belli, »hatte den Mut, zu Gericht zu sitzen und Gefängnisstrafen auszuteilen.«
    »Nun ja, jeder hat so seinen Geschmack in puncto Sex. Ich würde sie aber nicht so sehr als Schnepfe bezeichnen, sondern eher als schlau, sie verstand, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden. Erst amüsierte sie sich, dann erpreßte sie. Das könnte das viele Bargeld

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