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Die Wahrheit des Alligators

Die Wahrheit des Alligators

Titel: Die Wahrheit des Alligators Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massimo Carlotto
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natürlich durch eine kluge Verkleidung unterstützt werden … schauen wir mal … es ist Juli, da rate ich zu kurzärmeligen Hemden in gedeckten Farben, dazu passende Hosen, schwarze Schnürschuhe. Nix da Ringe, Halskettchen oder Armkettchen«, wandte er sich an Rossini, »oder enge Jeans, Schlangeniederstiefel und Ohrringe«, schloß er mit Blick auf mich. »Kann er nicht allein gehen?« fragte mein Freund und wies auf mich.
    »Nein. Inspektoren sind immer zu zweit unterwegs.« Eine gute Stunde lang löcherten wir den Oberst noch mit Fragen, aber am Schluß waren wir von der Qualität seines Plans überzeugt. Ich war geradezu begeistert davon, und bevor ich ging, drückte ich ihm einen Kuß auf Stirn, begleitet von einem: »Du bist ein Genie, Oberst.«
    »Danke, Alligator. Wenn ihr mich noch braucht, kommt ruhig wieder vorbei. Nach dem Knast hat sich niemand mehr gemeldet …«, murmelte er mit einem Anflug von Trauer. Dann packte er mich am Arm: »Diese Stadt ist ein Friedhof für jemand mit meiner Vergangenheit.«
    »Warum gehst du nicht fort?«
    »Eines Tages, Alligator, eines Tages. Wenn die anderen auch aus dem Knast raus sind.«
    »Und dann?«
    »Alle auf nach Mexiko. Anscheinend ist in Chiapas eine Gruppe dabei, den Aufstand der Indios zu organisieren.«
    »Noch eine Revolution, Oberst?«
    »Immer dieselbe, Alligator, immer dieselbe.«

    Am nächsten Morgen gingen wir in ein Kaufhaus, um uns die Kleidung zu besorgen, die der Ex-Terrorist uns empfohlen hatte, und um Punkt drei Uhr nachmittags durchschritten wir die Pforte der Klinik Santa Lucia.
    »Die Herren wünschen?« fragte die Dame am Empfang.
    »Die Verwaltung?« fragte ich meinerseits.
    »Im ersten Stock«, antwortete sie und deutete auf den Lift.
    Wir wiesen die beiden gefälschten Ausweise vor, die der Oberst uns beschafft hatte. Unsere Anwesenheit in dem Büro löste eine gewisse Unruhe aus. Ein paar Augenblicke später näherte sich ein glatzköpfiger Typ mit Brille und einem unsympathischen Lächeln auf dem verschwitzten Gesicht.
    »Irgendein Problem?« fragte er.
    »Nur eine einfache Kontrolle. Reine Routinesache«, beschwichtigte ich ihn.
    Wir baten darum, Einblick in die Dienstpläne nehmen zu können, und daß man uns einen abgeschlossenen Raum zur Verfügung stellte, wo wir in Ruhe arbeiten konnten. Sie erfüllten unsere Wünsche mit beflissenem Eifer. Nach ungefähr zehn Minuten tauchte, unter dem Vorwand, uns einen Kaffee anzubieten, dieser Typ von der Verwaltung wieder auf. »Sollten Sie Hilfe brauchen, ich stehe ganz zu Ihrer Verfügung.«
    »Danke schön«, antwortete Rossini in zuckersüßem Ton. »Aber wir werden Sie nicht brauchen … wenn die Akten in Ordnung sind.«
    »Gewiß doch«, räumte der Angestellte ein. »Ich habe das nur gesagt, damit Sie sich hier wohl fühlen. Sie kommen ja zum ersten Mal. Ihre Kollegen, die vor Ihnen da waren, Dottor Belelli und Herr Arfò, kannten uns gut … mit ihnen hat es nie Probleme gegeben, und wir haben von Anfang an immer bestens zusammengearbeitet.«
    »Ist gut«, erwiderte ich. »Wenn wir Sie brauchen, rufen wir Sie. Und jetzt gehen Sie.«
    Wir fanden die Namen, die uns interessierten, und fotokopierten sie. Benjamino wollte um jeden Preis zwei Kopien machen. Eine steckte er in die Tasche. »Das erklär ich dir später«, sagte er kurz.
    Als wir gehen wollten, bat der Glatzköpfige uns in sein Büro. »Meinen Sie, Sie kommen wieder?« fragte er. »Schon möglich. Es könnte sein, daß wir noch in andere Akten Einblick nehmen müssen«, antwortete ich. »Das wird vielleicht nicht nötig sein.«
    »Wenn Sie erlauben«, entgegnete Benjamino, »dann entscheiden wir das.«
    »Vielleicht ist es auch nicht nötig, daß Sie die Dokumente mitnehmen, die Sie eben fotokopiert haben.«
    »Genau deswegen sind wir aber gekommen«, erwiderte mein Freund.
    »Hören Sie, meine Herren, ich möchte nochmals mit allem Nachdruck betonen, daß es mit Ihrer Behörde bisher noch nie Schwierigkeiten gegeben hat. Belelli, Arfò und ich haben uns immer wunderbar verstanden. wissen Sie, in einer Klinik denkt man lieber an die Gesundheit der Patienten. als an Verwaltungskram. Manchmal unterläuft einem da völlig unbeabsichtigt ein Versehen, es kommt zu Flüchtigkeiten.« Rossini nahm mir die Fotokopien aus der Hand. »Wieviel?« fragte er grob.
    Der andere zog einen Umschlag aus der Tasche. »Fünf«, erwiderte er trocken. »Abgemacht.«
    »Aber Sie beide kommen nicht wieder. Beim nächsten Mal sollen wieder Ihre

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