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Die Wahrheit des Alligators

Die Wahrheit des Alligators

Titel: Die Wahrheit des Alligators Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massimo Carlotto
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perversen Mutter nicht mehr unter einem Dach leben wollten. Die Zeit vergeht, und die Mama beschließt, sich wieder zu verheiraten, und bereitet den beiden Kindern damit schon wieder großen Kummer, da sie das als einen weiteren Verrat an dem verstorbenen Papa betrachten, dem schon zu seinen Lebzeiten nach Strich und Faden die Hörner aufgesetzt wurden – seine Seele ruhe in Frieden. In dem Wissen, daß der künftige Gatte ein lockerer Vogel ist, fürchten sie, ihre Mutter könnte ihm leichtsinnigerweise die Verwaltung des Vermögens anvertrauen, das ganz allein ihnen als den künftigen Erben zusteht. Da beschließen sie, die Mutter zu beseitigen. Und hier kommt der dritte Sprößling ins Spiel, Sohn des künftigen Gatten. Die beiden Geschwister wissen, daß er ein schwieriger Junge ist, mit einer problematischen Persönlichkeit, und vor allem, daß auch er diese Eheschließung überhaupt nicht gerne sieht. Wie sie, haßt auch er die Frau, die ihm den Vater weggenommen und sein Mütterlein unglücklich gemacht hat, wodurch die traute Harmonie der einstmals glücklichen Familie zerstört wurde. An diesem Punkt wittern die beiden Schlitzohren, daß der andere, entsprechend manipuliert, zu einer unüberlegten und extremen Tat fähig wäre. Sie fangen an, ihm zuzusetzen. Tag für Tag schüren sie seinen Haß bis zur Weißglut und pflanzen seinem kranken Gehirn die Idee ein, daß eine solche Frau nur den Tod verdient. Und am Schluß bringt der sie um. Sein Vater schaltet sich ein, zusammen mit einem Freund der Familie, einem einflußreichen Anwalt und zugleich verhaßten Geliebten des Opfers, und sie lassen den Jungen in einer Klinik verschwinden, deren Teilhaber sie sind.« Ich machte eine kurze Pause. Keine Reaktion am anderen Ende der Leitung. Ich sprach weiter.
    »Am anderen Ende der Welt reiben die beiden jungen Leute sich die Hände: Die Mutter hat die verdiente Strafe bekommen, und sie sind endlich reich. Ziemlich egal, was aus ihrem jüngeren Stiefbruder wird, soll sein Vater sich doch um ihn kümmern. aber da ereignet sich ein Glücksfall. Ein junger Mann ganz anderer sozialer Herkunft wird des Verbrechens angeklagt und dann verurteilt. Er wird fünfzehn Jahre lang im Gefängnis absitzen, während alle anderen Hauptdarsteller der Geschichte, ganz so, wie es sich für ein richtiges Märchen gehört, glücklich und zufrieden weiterleben.«
    »Wirklich eine hübsche Geschichte«, lobte mich Selvaggia und brach das Schweigen, das ihre vornehme Selbstbeherrschung ihr auferlegte. »Ich würde hier und da noch ein paar Details einfügen, aber alles in allem ist es ein erstklassiger Thriller.«
    »Freut mich, daß sie dir gefallen hat. Ich bin allerdings mit dem Schluß nicht so ganz zufrieden, ich würde ihn gerne ändern. so ist er mir zu zynisch. mir wäre es lieber, wenn ausnahmsweise mal die Gerechtigkeit siegen würde und die Bösen ihre Schuld büßen würden.«
    »Dann würde es eine fade und vorhersehbare Geschichte«, erwiderte die Frau und unterstrich den gedehnten und gelangweilten Tonfall noch mehr. »Ich mag sie lieber so, wie sie ist, den Schluß kann man nicht ändern.«
    »Bist du dir da wirklich sicher?«
    »Ich habe nicht den geringsten Zweifel, Buratti.«
    »Dann weißt du also, wer ich bin«, rief ich mit gespielter Überraschung.
    »Seit Tagen verfolgen wir deine Taten mit regem Interesse. Es sieht ganz so aus, als wären Windmühlen deine Spezialität.«
    »In diesem Fall bitte ich dich um einen Gefallen: Könntest du Anwalt Sartori anrufen und ihm sagen, daß ich ihn morgen um elf in seiner Kanzlei treffen will?«
    »Es wird mir ein Vergnügen sein. aber, mein Lieber … morgen ist Sonntag.«
    »Du hast recht. Sagen wir also um ein Uhr, nach der Messe.«

M it geschlossenen Augen und verschränkten Armen lauschte Benjamino den Tonbandaufnahmen. Am Schluß zündete er sich eine Zigarette an. »Material, um mit Sartori zu verhandeln, haben wir jetzt im Überfluß«, stellte er fest. »Aber ich glaube nicht, daß er darauf einsteigt.«
    »Ich versteh dich nicht. Du hast doch selbst gesagt, wir sollten ihn festnageln und dann verhandeln.«
    »Das stimmt, aber Selvaggia klang zu sicher, so als ob sie nicht befürchten würden, nun den Rest ihres Lebens mit diesem Damoklesschwert über ihrem Haupt zubringen zu müssen. Weißt du was, meiner Ansicht nach werden sie so tun, als würden sie sich auf Verhandlungen mit uns einlassen, um den Carusos Zeit zu geben, uns ausfindig zu machen und aus dem Weg zu

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