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Die Wahrheit des Alligators

Die Wahrheit des Alligators

Titel: Die Wahrheit des Alligators Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massimo Carlotto
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und außerdem.«
    »Soll ich dir einen Kaffee machen, während du liebenswürdig mit deinem Freund Natale über Herrenkosmetik plauderst?« fragte ich gereizt. »Also«, wandte ich mich an letzteren, »noch vier Minuten, dann stecken wir dein Haus in Brand.«
    »Is’ das wegen der Sache mit der Klinik? Wegen der Einweisung vom Sohn von ei’m der Chefs?« fragte der ehemalige Pfleger. »Ja«, antwortete ich. »Wir wissen, daß du jeden Tag zu Andreose gegangen bist, um Bericht zu erstatten, und daß du dich mehrfach mit Ventura und Sartori getroffen hast.«
    »Ihr wollt mich doch nicht anzeigen?«
    »Nein. Wir wollen nur wissen. Dann kannst du dich wieder um deine Weinstöcke kümmern.«
    An dem Punkt entschloß er sich zu reden. Als er mit seiner Erzählung dann begann, wirkte es, als hätte er sie jahrelang vorbereitet.
    »Ich war Krankenpfleger und hatte Nachtdienst in der Abteilung für unruhige Patienten. da ich der älteste und verläßlichste war, befahl Professor Andreose mir, mich allein um die Verabreichung der Medikamente und die Beaufsichtigung des Patienten zu kümmern. er gab mir zu verstehen, ich sollte gut aufpassen, da es der Sohn von Dottor Ventura war. Der Junge war unruhig. Der Professor hatte ihm zwei Mal am Tag das sogenannte Trio verordnet – das sind zwei sehr starke Psychopharmaka, vermischt mit einer Phiole Valium. Das gibt man, um dem Kranken über die Krise hinwegzuhelfen und ihn vierundzwanzig Stunden ruhigzuhalten. am zweiten oder dritten Tag vergaß der Pfleger im Tagesdienst, Mario Bisinella, ihm die Medikamente zu verabreichen. er hatte es völlig vergessen, weil ein anderer Patient sich schwer verletzt hatte, als er mit dem Kopf gegen die Wand schlug. Bisinella wurde auf der Stelle entlassen. Tatsache ist, daß Marco Ventura, im Unterschied zu sonst, ziemlich klar im Kopf war, als ich den Dienst antrat. Er fragte mich, ob ich Nachrichten von seiner Mutter und seinem Vater hätte, und dann … ob die Carabinieri schon dagewesen wären, um ihn zu holen. Ich antwortete, daß ich nichts davon wüßte, er solle sich keine Sorgen machen, er würde bestimmt bald wieder gesund. An dem Punkt fing er an zu schreien, er sei nicht verrückt, und diese Hure umgebracht zu haben – genauso sagte er – sei nur ein Akt der Gerechtigkeit gewesen, weil sie den Vater von zu Hause weggeholt hätte, und er und seine Mutter wären allein zurückgeblieben … vor allem aber sei sie in der Ehe auch nicht einen Tag lang treu gewesen, weil sie nach wie vor die Geliebte von Rechtsanwalt Sartori gewesen wäre.«
    Benjamino und ich sahen uns an. Die Spur, die wir verfolgt hatten, war goldrichtig gewesen, wir bekamen hier erstklassiges Material, das uns eine optimale Verhandlungsposition sicherte.
    »… am nächsten Morgen«, fuhr Sperandio fort, »ging ich zum Professor und erzählte ihm, was ich erfahren hatte. Andreose bat mich, das nicht herumzuerzählen, um den Jungen nicht in Gefahr zu bringen, da er nicht schuldig war. Er erklärte mir, der Junge sei von einem völlig grundlosen Schuldgefühl geplagt – die Polizei hatte den wahren Schuldigen schon verhaftet –, er leide unter einem Symptom – den Namen weiß ich nicht mehr. dann kamen Sartori und Ventura und versprachen mir, sie würden mein Gehalt erhöhen, dafür wollten sie aber auf meine Verschwiegenheit zählen können.«
    »Und dieses Häuschen hier hast du dir mit der Gehaltserhöhung hergerichtet?« fragte ich.
    »Als ich in Pension ging, hat Dottor Ventura mir eine Prämie von achtzig Millionen Lire gegeben.«
    »Ist dir nie in den Sinn gekommen, daß Marco Ventura wirklich schuldig gewesen sein könnte und daß durch dein Schweigen ein Unschuldiger verurteilt worden ist?«
    »War ja nicht mein Bier«, antwortete er und senkte den Blick. Ich nahm die Kassette aus dem Aufnahmegerät. »Schau sie dir gut an, Sperandio. Wenn du in Versuchung kommen solltest, irgend jemand von unserem Besuch zu erzählen, dann denk dran, daß wir diese Aufnahme jederzeit dem Staatsanwalt geben können, der Presse oder Sartori und Ventura. Und dann kommen wir mit mehr Benzin wieder. Du bist gewarnt.«

    »Ich bin müde, Marco, ich bin müde. Den ganzen Tag laufen wir rum und quetschen Leute aus, um Geständnisse zu sammeln. Letzte Nacht habe ich sogar geträumt, daß wir das Telefonbuch nehmen und sämtliche Einwohner dieser Stadt einen nach dem anderen zur Beichte zwingen. Ein echter Alptraum.«
    »Wir sind fast fertig, Benjamino. Halt durch, bis wir noch ein,

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