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Die Wahrheit des Blutes

Die Wahrheit des Blutes

Titel: Die Wahrheit des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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beschrieben ihre Hotelsuite und erzählten von den Süßigkeiten in der Minibar, ehe sie zu ihrem Spiel zurückkehrten.
    »Für das Abendessen ruft ihr den Roomservice an«, wies Passan seinen Partner an.
    »Was hast du vor?«
    »Ich muss noch etwas erledigen.«
    Fifi baute sich vor ihm auf.
    »Nachdem du mir das letzte Mal diese Auskunft gegeben hast, haben wir dich Stunden später als flambierte Banane aufgefunden. Also, wo willst du hin?«
    Passan zwang sich zu einem Lächeln. Die Creme und die Medikamente zeigten endlich Wirkung. Vielleicht war es ja auch Fifis Wunderpille.
    »Ich gehe nach Hause.«
    »Warum?«
    »Um mich zu verabschieden.«
    Er duschte, zog sich um und gab den beiden Kindern einen Kuss. Das Abendessen war bereits gebracht worden: Riesenhamburger und Berge von Fritten. Naokos Erziehungsprinzipien galten hier nicht, und trotz des allgemeinen Durcheinanders war schließlich Samstagabend.
    Passan verabschiedete sich von seinen Männern und versprach, noch in der Nacht wiederzukommen. Fifi erinnerte ihn daran, dass er am nächsten Morgen beim Richter vorstellig werden musste.
    Auf dem Weg zum Aufzug dachte Passan, dass das einzige Phantom in dieser Geschichte er selbst war.

71
    Vor dem Tor der Villa hatte die Polizei ein Kreuz aus Absperrband gespannt. Passan riss es ab und betätigte die Fernbedienung. Sein Entschluss stand fest: Sie würden das Haus verkaufen, die Kredite ablösen und den Rest auf den Namen der Kinder anlegen. Eine sichere Anlage, die im Lauf der Jahre eine gute Rendite bringen würde.
    Er ging über den Rasen, ohne seinen Garten eines Blickes zu würdigen. Die Scheinwerfer am Fuß der Bäume flammten auf. Er duckte sich unter den Absperrbändern hindurch, streifte Latexhandschuhe über und drehte den Schlüssel im Schloss. Wie ein Dieb.
    Drinnen knipste er in jedem Zimmer die Beleuchtung an. Keinesfalls wollte er sich von der Dunkelheit anstecken lassen. Er ging von Raum zu Raum und hob zerstreut hier ein Kissen und da eine Teppichecke. Er suchte nichts Bestimmtes. Das hatten Zaccharys Jungs längst erledigt und nichts gefunden. Er wollte nur zum letzten Mal Kontakt mit allen Gegenständen, den Wänden und dem ganzen Haus aufnehmen.
    Im ersten Stock blieb er vor dem Kinderzimmer stehen. Von der Schwelle aus betrachtete er den dunklen Fleck zwischen den beiden Betten. Er dachte an Diego, der dem Eindringling nie misstraut und nie gebellt hatte. Aber warum? Etwa weil die Frau Japanerin war? Der arme Hund, man konnte ihn wirklich allzu leicht täuschen.
    Schließlich betrat er Naokos Zimmer. Hier schaltete er kein Licht ein. Schon im Lauf des Tages war er in diesem Raum gewesen und hatte ein paar Sachen für sie geholt. Jetzt wollte er nur noch die Umgebung in sich aufnehmen. Die Schränke aus lackiertem Holz, den Futon, die rote Decke, den Nachttisch. Alles befand sich an seinem Platz. Mit dem Gesicht zum Fenster setzte er sich auf das Bett.
    Etwas Hartes bohrte sich in seine Leiste. Er wühlte in seiner Jackentasche und förderte den Kaiken zutage. Nachdem er die versiegelte Tüte geöffnet hatte, betrachtete er die Waffe im Licht der Gartenbeleuchtung. Ein gebogenes, schlankes Futteral aus schwarzem Holz und ein weiß glänzender, fast phosphoreszierender Griff aus Elfenbein. Er dachte an ein Gedicht von José María de Heredia, in dem ein gepanzerter Samurai als »schwarzes Krustentier« beschrieben wurde. Auch er hatte den Eindruck, ein Tier mit hartem Panzer und scharfer Intelligenz in Händen zu halten.
    Seine Vorstellungen von Japan erschienen ihm mit einem Mal lächerlich. Ehefrauen von Samurai, die sich die Kehle durchschnitten. Kurtisanen, die sich als Zeichen der Treue zu ihrem Liebhaber den kleinen Finger abschnitten. Verheiratete Frauen, die sich ihre Zähne mit Gerbsäure verbrannten, um einen absolut schwarzen Mund zu haben und so ihre weiße Haut hervorzuheben. Und er hatte von diesen Todesarten, Verstümmelungen und Opfern geträumt!
    Heute war die Gewalt ganz nah herangekommen – und er verstand die Welt nicht mehr. Einen Augenblick lang überkam ihn die Lust, den Kaiken einfach in den Müll zu werfen. Aber dann legte er ihn doch lieber wieder in Naokos Nachttischschublade.
    Ein Geschenk wirft man nicht weg.
    Passan stand auf und ging ins Untergeschoss. Hier konnte er wenigstens arbeiten. Nachdem er die Abgründe Guillards hinter sich gelassen hatte, tat sich nun ein neuer Schlund vor ihm auf, der viel bedrohlicher und unermesslich tief war.
    »ES GEHÖRT

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