Die Wahrheit des Blutes
nach nur etwas für Weicheier; seine Pillen wirkten deutlich besser. Zwar glaubte Passan seinem Partner aufs Wort – schließlich hatte er einschlägige Erfahrungen –, doch er zögerte noch.
Er öffnete die Tür einen Spaltbreit und rief hinaus:
»Hauen mich die Dinger ganz sicher nicht aus den Latschen?«
»Da besteht nicht das geringste Risiko«, antwortete Fifi und kam ins Bad. »Das Zeug nimmt man am Morgen nach einem Ecstasy-Rausch. Früher haben wir die Nachwirkungen mit Heroin bekämpft, aber die moderne Chemie macht ständig Fortschritte.«
»Na, das tröstet mich jetzt aber!«
Fifi lachte und schluckte selbst eine Pille, um Passan Mut zu machen.
»Okay«, meinte Passan und schloss die Tür. »Hast du die Kripo angerufen?«
»Im Augenblick ist immer noch die Mordkommission in Saint-Denis verantwortlich. Der Staatsanwalt wird wohl schnellstens einen Richter berufen.«
»Sobald du seinen Namen weißt, gibst du Bescheid. Hast du Kontakt zu den Kollegen aus 9–3 aufgenommen?«
»Die Vernehmung der Nachbarn in Pré-Saint-Gervais läuft. Niemand hat etwas gesehen oder gehört. Ansonsten gibt es keine Spuren von der Dame, absolut nichts.«
Passan musste an die düstere Aufzugkabine denken. Kein Zweifel: Die Mörderin hatte sich dort versteckt und war im allgemeinen Aufruhr geflohen – um irgendwann erneut zuzuschlagen.
Fifi zog ein durchsichtiges Plastiktütchen aus der Tasche.
»Darf ich?«, fragte er und zeigte auf das Kokain.
»Natürlich nicht. Was glaubst du, wo wir hier sind? Außerdem bist du im Dienst, und meine Kinder spielen gleich nebenan.«
»Klar doch«, lachte Fifi. »Wo hatte ich nur meinen Kopf?«
»Du wirst heute mit dem Bier aus der Minibar vorliebnehmen müssen. Gibt es bei mir zu Hause etwas Neues?«
»Nichts. Die Vernehmung der Nachbarn hat nichts ergeben. Die Spurensuche auch nicht. Ganz ehrlich, manchmal habe ich den Verdacht, wir haben es mit einem Phantom zu tun.«
Passan nahm die Mütze ab, kratzte sich den Kopf und strich sich schließlich über die verbliebenen Haare, als wolle er Ordnung in seine Gedanken bringen.
»Hast du irgendwelche Informationen über Sandrine gefunden?«
»Ich kann mich wirklich nicht um alles kümmern. Entweder du engagierst ein Kindermädchen, oder …«
Passan brachte ihn mit einer Geste zum Schweigen.
»Du kannst heute Abend vom Zimmer aus arbeiten.«
»Bleibst du etwa nicht hier?«
Passan wich der Frage aus.
»Du solltest dich auch um die Katanas kümmern.«
»Um die was?«
»Japanische Kampfschwerter. Ruf alle Antiquariate, Restauratoren und Kendo-Klubs an.«
»Heute noch?«
»Du kriegst das schon hin. Erkundige dich auch beim Zoll, ob kürzlich etwas in der Art eingeführt wurde.«
Fifi setzte sich auf den Rand der Badewanne. Bei ihm schien die Pille zu wirken. Passan hätte gern das Gleiche von sich gesagt, doch der Schmerz war immer noch sehr präsent.
»Darf ich dich daran erinnern, dass wir mit diesem Fall nichts zu tun haben«, wandte Fifi mit erschöpfter Stimme ein. »Uns fehlen die Befugnisse.«
»Es wäre nicht das erste Mal.«
»Was sagt eigentlich Naoko?«
»Nichts.«
»Klar.«
Passan ging nicht auf die Anspielung ein. Es war halb neun, als ihm noch eine letzte Frage einfiel:
»Ich hatte dich gebeten, nachzuforschen, ob Levy DNS-Analysen in Auftrag gegeben hat.«
»Mist, das hätte ich bei diesem Trubel hier beinahe vergessen.«
»Hast du etwas herausgefunden?«
Fifi nestelte ein Heft aus seiner Revolvertasche.
»Kann man wohl sagen. Levy hat am 21. Juni einen Handschuh nach Bordeaux geschickt und einen anderen am gleichen Tag nach Straßburg. Am nächsten Abend hatte er sie samt Resultat wieder zurück. Auf jeden Fall waren es die Handschuhe von Guillard. Aber warum hat Levy sie getrennt?«
»Weil er als Einziger die Möglichkeit haben wollte, die Ergebnisse zu vergleichen. Er hat versucht, die Handschuhe und die Resultate an Guillard zu verkaufen.«
»Glaubst du, er hat sich mit der Kohle vom Acker gemacht?«
»Er ist tot.«
Passan öffnete die Tür und verließ das Bad. Fifi sauste hinter ihm her. Shinji und Hiroki saßen vor ihrem Videospiel und lachten lauthals unter den amüsierten Blicken von Lestrade und Jaffré. Passan holte zwei Schlafanzüge und die Zahnbürsten aus der Reisetasche, ging mit den Kindern ins Bad und zog sie ungeachtet ihrer Proteste aus.
Anschließend rief er Naoko an. Ihre Stimme klang kühl und unergründlich. Auch die Kinder wollten mit ihr sprechen. Sie
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