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Die Wahrheit eines Augenblicks

Die Wahrheit eines Augenblicks

Titel: Die Wahrheit eines Augenblicks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Moriarty
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Vorschullehrerin vielleicht nicht ganz so ziemte. Ihre kleinen Schützlinge wuselten hinter ihr her und trugen ihre Ostermützenkreationen mit einem stolzen und selbstbewussten Lächeln zur Schau.
    Die Mütter gratulierten sich gegenseitig zu den gelungenen Ostermützen-Basteleien.
    »Oh, Sandra, wie kreativ!«
    »Hab ich mir im Internet abgeguckt. Hat mich zehn Minuten gekostet.«
    »Ach was!«
    »Im Ernst, ich schwöre es.«
    »Ist Miss Parker eigentlich klar, dass das hier eine Ostermützen-Parade ist und keine Nachtclub-Veranstaltung?«
    »Zeigen Märchenprinzessinnen eigentlich immer ein so üppiges Dekolleté?«
    »Und seit wann zählt ein Diadem als Ostermütze?«
    »Ich denke, sie will Mr. Whitby beeindrucken, die Arme! Der schaut nicht einmal hin.«
    Cecilia liebte Veranstaltungen wie diese. Eine Ostermützen-Parade bot alles auf, was sie selbst in ihrem Leben liebte. Anmut. Klare Ordnung. Gemeinschaftssinn. Doch heute fand sie die ganze Parade witzlos und unsinnig, die Kinder frech, die Mütter bissig. Sie unterdrückte ein Gähnen und roch das Sesamöl an ihren Fingern. Den neuen Geruch in ihrem Leben. Fast musste sie wieder gähnen. Sie und John-Paul waren bis spät in die Nacht auf gewesen und hatten in angespanntem Schweigen die Ostermützen für ihre Töchter gebastelt.
    Dann hatte Pollys Klasse ihren Auftritt, angeführt von der bezaubernden Miss Jenkins, die sich offenbar alle erdenkliche Mühe mit ihrer Verkleidung als ein riesiges, in rosa Glanzfolie verpacktes Osterei gegeben hatte.
    Polly ging direkt hinter ihrer Lehrerin. Sie stolzierte wie ein kleines Supermodel und hatte ihre Ostermütze neckisch über ein Auge gezogen. John-Paul hatte ihr ein Vogelnest aus kleinen Zweigen aus dem Garten gebastelt und Ostereier hineingelegt. Aus einem der Eier lugte ein flaumiges, gelbes Stoffküken, als schlüpfte es gerade.
    »Mein Gott, Cecilia, du bist spitze«, rief Erica Edgecliff, die in der Reihe vor Cecilia saß und sich zu ihr umdrehte. »Pollys Mütze ist der Oberhammer!«
    »Hat John-Paul gemacht.« Cecilia winkte Polly zu.
    »Wirklich? Der Mann ist ’ne Wucht!«
    »Geht so«, pflichtete Cecilia ihr bei, bemerkte jedoch ein seltsames Wackeln ihrer Stimme und meinte zu spüren, dass Mahalia sie kritisch beäugte.
    »Du kennst mich ja. Habe diese Ostermützen-Parade völlig vergessen, bis es mir heute Morgen beim Frühstück plötzlich einfiel. Ich habe einen alten Eierkarton hervorgekramt, ihn Emily auf den Kopf gesetzt und gesagt: ›Das muss es tun, mein Kind‹«, meinte Erica, die sichtlich stolz war auf ihre saloppe Art. »Da ist sie! Hm! Hurra!« Erica war halb aufgestanden, winkte ihrer Tochter wie wild zu und setzte sich gleich wieder hin. »Hast du gesehen, wie sie mich angeschaut hat? Wenn Blicke töten könnten! Sie weiß, dass sie die scheußlichste Mütze von allen hat. Gebt mir lieber noch eine von den Schokoladenkugeln, bevor ich mich erschieße!«
    »Alles in Ordnung mit dir, Cecilia?« Mahalia rückte etwas dichter heran. Ihr Parfüm duftete nach Moschus.
    Cecilia schaute kurz zu ihr hinüber und wandte dann schnell den Blick wieder ab.
    Spar dir deine nette Tour, Mahalia, mit deiner glatten, oberflächlichen Art und dem bohrenden Blick aus deinen perlweißen Augen ! Cecilia hatte am Morgen winzige rote Flecken im Weiß ihrer Augen entdeckt. Ist es nicht das, was passiert, wenn jemand versucht, dich zu erwürgen? Dann platzen die Kapillargefäße in den Augen . Woher wusste sie das? Sie schauderte.
    »Du zitterst ja!«, bemerkte Mahalia. »Der Wind ist doch ziemlich frisch.«
    »Mir geht es gut«, sagte Cecilia. Das Verlangen, sich irgendwem mitzuteilen, egal wem, war wie ein brennender Durst. Sie räusperte sich. »Vielleicht ist eine Erkältung im Anmarsch.«
    »Hier, leg dir den um!« Mahalia zog sich den Schal von ihrem Hals und legte ihn Cecilia um die Schultern. Es war ein schöner Schal, der sie in Mahalias Duft hüllte.
    »Nein, nein«, wehrte Cecilia ab. Vergeblich.
    Sie wusste genau, was Mahalia ihr raten würde, wenn sie ihr es erzählte. Ganz simpel. Cecilia, sag deinem Mann, er hat vierundzwanzig Stunden Zeit, sich selbst anzuzeigen, andernfalls gehst du zur Polizei! Ja, du liebst deinen Mann, und, ja, deine Kinder werden unter den Folgen leiden, aber darum geht es nicht. Es ist ganz simpel .
    Mahalia benutzte das Wort gern – »simpel«.
    »Meerrettich und Knoblauch«, sagte Mahalia. »Simpel.«
    »Was? Oh, klar. Gegen die Erkältung. Ja, unbedingt. Habe ich noch

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