Die Wahrheit hat nur ein Gesicht (German Edition)
gefolgt.
»Sie will, dass du das Konzert absagst?«
»Sie will mich bevormunden, das ist alles!«
»Cindy, sie meint es gut mit dir! Und sie ist die beste Lehrerin, die du kriegen kannst. Stoß sie nicht vor den Kopf!«
»Ich möchte nicht mehr darüber sprechen!« Cindy stellte hart ihre Teetasse auf den Küchentisch und ging zur Tür. »Kommst du?«
Sie fuhren in Cindys Jaguar. Der Herrensitz ihres Vaters lag in der Grafschaft Berkshire, westlich von London. Die Fahrt dauerte etwas über eine Stunde und in dieser Zeit sprachen sie kaum noch ein Wort. Alex hielt sein Handy fest in der Hand. Obwohl er Emma hasste, für das, was sie ihm angetan hatte, gab er die Hoffnung nicht auf, dass sie sich vielleicht doch melden würde. Immerhin hatten sie eine Nacht miteinander verbracht, die außergewöhnlich war. Vielleicht hatte sie sich inzwischen beruhigt. Doch das Handy schwieg und Alex versank in dumpfes Brüten.
Auch Cindy schwieg. Sie fuhr schnell und konzentriert, aber gleichzeitig überlegte sie, was sie tun sollte. Nach der Panne unter der Dusche und der Pleite letzte Nacht musste etwas geschehen. Alex entglitt ihr, das merkte sie deutlich. Es gab nur noch einen Trumpf, den sie ausspielen konnte, um Alex zu binden. Eine Schwangerschaft. Da sie aber nicht schwanger war, war das ein riskantes Spiel. Sie musste also um jeden Preis schwanger werden. Ob sie das Kind dann austrug oder nicht, stand auf einem ganz anderen Blatt. Zur Not könnte sie auch eine Schwangerschaft vortäuschen. Aber das barg Risiken. Denn wenn Alex auf einem Schwangerschaftstest bestehen würde, hätte sie ein Problem. Cindy überlegte. In den Stallungen ihres Vaters arbeiteten mehrere sehr attraktive Stallburschen. Sie wäre nicht Cindy Briggs, wenn sich hier nicht ein Weg finden ließe.
Außerdem ärgerte sie sich über Amanda Tellington. Die alte Lehrerin hatte ihr gute Dienste geleistet und sie zu einer anerkannten Sängerin gemacht. Doch jetzt mischte sie sich auf eine Art und Weise ein, die Cindy unerträglich fand. Ja, ihre Stimme war ein bisschen angegriffen und sie würde in nächster Zeit etwas kürzer treten, aber ihr die beiden Auftritte wegzunehmen, die ihr so am Herzen lagen, das ging eindeutig zu weit.
Mit Lucia di Lammermoor würde sie in der Opernwelt für Aufsehen sorgen und am heutigen Abend war der gesamte englische Hochadel versammelt. Ihre Eltern waren zwar nicht von Adel, aber ihrem Vater, einem bekannten und vor allem steinreichen Industriellen huldigten sie alle. Und auf dieses Publikum sollte sie verzichten? Sie dachte nicht daran! Außerdem war es die Gelegenheit, Alex zu zeigen, wo sie herkam. Sie war Cindy Briggs, die Tochter von William Briggs, Inhaber der Briggs-Werke. Ihr Vater besaß ein Imperium, das Werkzeugteile in die ganze Welt lieferte. Und sie, Cindy, war ein anerkannter Opernstar! Sie war nicht irgendwer! Und nach diesem Wochenende würde das auch ein Alex begreifen!
20
Emma klappte gerade den letzten Koffer zu, als es erneut unten an der Tür klingelte. Sie spähte durch die Gardine. Ja, diesmal war es Antonio. Er war in einem Rolls Royce vorgefahren. Ihr Herz schlug heftig, und als sie einen Blick in den Spiegel warf, merkte sie, dass ihr Gesicht vor Aufregung glühte. Sie lief zur Tür. Doch plötzlich blieb sie stehen. Wenn sie ihn jetzt hereinließ, war endgültig alles entschieden. Noch konnte sie zurück. Sie musste nur nicht öffnen.
Durch die Milchglasscheibe der Haustür sah sie Antonios Silhouette. Unruhig bewegte er sich hin und her.
»Er ist ein guter Mann, er ist ein guter Mann!« Emma murmelte die Worte und das Mantra tat seine Wirkung. Sie schloss die Augen, atmete tief durch und dann öffnete sie die Tür.
Antonio empfing sie mit einem strahlenden Lächeln und betrachtete sie zufrieden. Dieses Wesen, dieser Engel würde ihm gehören. Sie trug ein hellblaues tailliertes Kleid, das ab der Hüfte in weichen Wellen ihre zarte Figur umspielte. Der großzügige Ausschnitt wurde mit kleinen Knöpfen zusammengehalten. Sie sah darin unglaublich jung und unschuldig aus. Ihre Haare hatte sie im Nacken lose zusammengebunden doch einzelne blonde Strähnen lösten sich bereits aus dem Knoten. Dadurch wirkte sie sehr kindlich, ihr Körper hatte aber die Reife einer erwachsenen Frau. Der Kontrast war unwiderstehlich.
Doch Emma war sich ihrer Wirkung überhaupt nicht bewusst. Scheu lächelte sie Antonio an und betrachtete ihn heimlich. Dieser Mann würde also ihr Ehemann werden? Antonio
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