Die Wahrheit hat nur ein Gesicht (German Edition)
kläffen. Der Fuchs war gestellt. Antonio wendete sein Pferd und galoppierte der Meute nach. Das blutige Schauspiel würde er sich nicht entgehen lassen. Auf die Idee, sich um seine Frau zu kümmern, war Antonio nicht ein einziges Mal gekommen.
Sobald Antonio nicht mehr zu sehen war, zügelte Alex sein Pferd. Er ließ es im Schritt gehen, denn je langsamer es lief, desto länger konnte er Emma im Arm halten. Ihre Haare verströmten einen sanften Duft und er betrachtete wehmütig ihren zarten Nacken.
Er hatte seinen Arm fest um ihre Taille gelegt, doch die Berührung war für ihn eine Qual, wie auch für Emma. Beide fühlten sie die Nähe des anderen und das Verlangen brachte sie beinahe um den Verstand.
Emma stand unter Schock. Cindy hatte tatsächlich ihr Pferd geschlagen. In diesem Tempo und direkt vor einem Gatter. Damit hatte sie in Kauf genommen, dass Emma stürzte. Nein, sie hatte gewollt, dass Emma stürzte! Und das hatte sie auch erreicht. Emma hätte sich bei dem Sturz lebensgefährlich verletzen können. Cindy hatte in Kauf genommen, dass Emma starb. So weit ging ihr Hass.
Emma wusste nicht, wie sie damit umgehen sollte. Noch nie war sie so bedroht worden. Sie selbst war sanft und gutmütig. Gefühle der Rache waren ihr fremd und sie wünschte allen Menschen nur das Beste.
Sie hätte Cindy gern zur Rede gestellt. Doch was hätte das gebracht? Es gab keine Zeugen und Cindy hätte alles abgestritten. Außerdem war Cindy schwanger und das war für Emma nach wie vor das unüberwindlichste Hindernis.
Emma selbst war ohne Vater groß geworden. Sie konnte sich noch genau an den Tag erinnern, als ihr Vater ihre Mutter verlassen hatte. Emma war damals fünf. Ihre Mutter saß weinend im Wohnzimmer und ihr Vater, ein berühmter italienischer Dirigent, war einfach gegangen. Emma sah ihn nie wieder. Er hatte eine neue Frau, die verhinderte, dass er seine Töchter aus erster Ehe besuchte.
Ein paar Jahre später starb er dann bei einem Autounfall. Tatjana und Emma erbten von ihm ein Vermögen und ein Haus in Italien. Vielleicht seine Art ihnen doch noch seine Liebe zu zeigen. Doch Emma hätte für diesen Preis gerne auf jedes Geld verzichtet.
Sie hatte ihren Vater immer vermisst und sie würde sich deshalb nie auf einen Mann einlassen, der Frau und Kinder hatte. Kinder brauchten ihre Eltern. Also waren Emma die Hände gebunden.
Alex dagegen ärgerte sich über sich selbst. Hatte er nicht noch vor einer Stunde geschworen, Emma aus dem Weg zu gehen. Sie zu verachten? Aber kaum tauchte sie auf, war dieser Vorsatz wie weggeblasen. Und nun saß er direkt hinter ihr und hielt sie im Arm. So würde er nie von ihr loskommen. Die Nacht mit ihr war noch keine zwölf Stunden her und schon wieder brachte diese Frau ihn um den Verstand. Der Kummer war Vorprogrammiert, denn jetzt war Emma verheiratet und dagegen konnte er nichts mehr tun.
So hingen beide ihren Gedanken nach und schwiegen. Was hätten sie auch sagen sollen? Die Geschichte war zu verfahren.
Plötzlich war Cindy auf ihrem Hengst neben ihnen.
»Ich habe gehört, Sie sind gestürzt?« Cindy lächelte böse. Was sie da sah, gefiel ihr überhaupt nicht. Emma auf Alex Pferd in seinem Arm, so hatte sie sich die Sache nicht vorgestellt.
Emma nickte.
»Mein Pferd ist ausgebrochen, aber es ist nichts passiert, ich hatte Glück.«
Emma lächelte distanziert und sah Cindy direkt in die Augen. Cindy wich dem Blick aus. Emmas souveräne Haltung verunsicherte sie.
Sie waren inzwischen am Stall und Alex half Emma vom Pferd. Sie würde keinen Skandal machen. Denn genau das war es, was Cindy erwartete. Dann hätte sie Emma der Lüge bezichtigen können. Doch diesen Gefallen tat Emma ihr nicht.
Plötzlich hörten sie das Geräusch eines galoppierenden Pferdes. Emmas Stute kam um die Ecke und Emma gelang es, das verstörte Pferd einzufangen.
»Dieses Pferd ist wirklich das Letzte!« Cindy konnte ihre Wut darüber, dass Emma den Sturz so gut überstanden hatte, nicht länger beherrschen. Hasserfüllt holte sie aus und schlug der Stute wieder auf den Rist. Das Pferd wieherte vor Schmerz, stieg und Emma hatte Mühe es zu halten. Alex griff mit ihr zusammen in den Zügel und gemeinsam gelang es ihnen, das Tier zu beruhigen.
»Sind Sie verrückt!« Emma war jetzt wirklich wütend. Sie griff nach Cindys Reitpeitsche und riss sie ihr aus der Hand. »Wie können Sie dieses Tier nur schlagen?« Sie hatte wirklich den Impuls auszuholen und Cindy zu züchtigen. Aber sie
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