Die Wahrheit hat nur ein Gesicht (German Edition)
Körper gleiten. Sie war ja noch schöner als er gedachte hatte. Da entdeckte er plötzlich die Schrammen auf ihrer Haut und erstarrte.
»Was ist denn das? Du hast dich ja doch verletzt?«
»Es ist nicht schlimm!« Emma war Antonios nackter Körper unangenehm und sein gieriger Blick bereitete ihr Unbehagen. Schnell zog sie sich an und stieg in ihr Kleid. Der Stoff verdeckte die Verletzungen.
»Nein, man sieht nichts.« Antonio umrundete seine Frau zweimal prüfend. Emmas Erscheinung sollte makellos sein. Ein Verband hätte das perfekte Bild zerstört. Und dann erst nahm er wahr, was Emma trug. Er hatte schon viele schöne Frauen gesehen, doch was sich ihm hier bot, übertraf alles.
Emma hatte ein Kleid gewählt, das ihre Mutter schon auf der Bühne getragen hatte. Sie erinnerte sich gut an diese Aufführung. Margaret sang die Titelheldin in »Tosca« von Puccini. Das Kleid trug sie im letzten Akt zu Toscas tragischem Ende und nun trug es Emma. Ihre Mutter hatte das Kleid geliebt und Emma hatte es ausgewählt, weil es sie an ihre Mutter erinnerte und sie sich darin sicher fühlte.
Es war ein moosgrün schimmerndes Brokatkleid, das, mit Samt besetzt, Emmas Zartheit hervorhob. Es war tief ausgeschnitten und ihr weißes Dekolleté leuchtete edel vor dem moosigen Grund. Der dunkle, matt glänzende Stoff und ein Collier mit alten, tiefroten Rubinen verliehen ihr etwas Mystisches, Märchenhaftes. Ihre wundervollen Haare hatte sie zu einer lockeren Frisur hochgesteckt und sie wirkte, als wäre sie einer vergangen Zeit entsprungen. Gleichzeitig hatte das Kleid auch etwas Düsteres und fast Bedrohliches. Tosca war immerhin eine Frau gewesen, die sich nicht gescheut hatte, ihren Willen mit Gewalt durchzusetzen. Dass sie dann selbst zum Opfer wurde, war dem Drama geschuldet. Emma hatte vor, kein Opfer zu werden, doch ein Drama war wohl unausweichlich. Mit gemischten Gefühlen betrachtete sie den halbnackten Mann, dem sie heute dummerweise ihr Jawort gegeben hatte.
Antonio konnte sich kaum von ihrem Anblick lösen. Seine Phantasie ging heftig mit ihm durch. Er stellte sich bereits vor, wie er Emma heute Nacht aus diesem Kleid schälen würde. Ganz langsam würde er dabei vorgehen und dann… Nein! Vielleicht würde er es ihr auch gar nicht ausziehen. Zumindest nicht gleich. Er würde sie damit auf den Bauch drehen, ihr das Kleid hochschieben und sie dann… Antonio leckte sich unbewusst die Lippen. Ihre zarte Haut würde unendlich verführerisch wirken vor dieser düsteren Kulisse. Ein paar seiner Spielzeuge hatte er schon am Nachmittag vorsorglich im Zimmer deponiert. Bei der Vorstellung bekam er unter seinem kurzen Handtuch eine prächtige Erektion.
»Antonio, bitte!«
Emma war die Wirkung, die sie auf ihn hatte, nicht entgangen. Es war ihr unendlich peinlich und sie wäre am liebsten vor Scham im Boden versunken.
Doch Antonio lachte nur: »Da siehst du, was du mit mir anstellst! Aber warte! Heute Abend werde ich mich revanchieren!« Er warf ihr noch einen lüsternen Blick zu, dann verließ er endlich das Zimmer.
Emma sah ihm betäubt nach. Ihre Hände strichen beschwörend über ihr Kleid:
»Ich brauche deine Hilfe, Mama, ich brauche deine Hilfe!«
Viertel nach sieben. Das Dinner rief. Antonio kam wieder in Emmas Zimmer. Er hatte sich noch intensiv mit seinem körperlichen Bedürfnis beschäftigt, danach noch mal geduscht und sich dann in seinen Smoking geworfen. Rundum zufrieden reichte er seiner Frau den Arm. Zögernd schob Emma ihre Hand in seine Armbeuge und mit stolz geschwellter Brust führte er sie in den Wintergarten.
Er legte es darauf an, zu spät zu kommen, denn wenn bereits alle saßen, würde er mit Emma einen Soloauftritt haben. Und genau das wollte er. Alle sollten sie anstarren! Alle sollten sie bewundern. Alle sollten ihn beneiden. Und sein Plan ging auf. Die Gäste hatten sich bereits an ihre Plätze gesetzt, als Antonio mit Emma eintraf. In dem prächtigen, geschnitzten Rahmen der Tür stand sie da, wie eine Erscheinung. Durch die riesigen Glasflächen fiel schräg die untergehende Sonne und hüllte sie in ein weiches Licht. Emma sah aus, als wäre sie eben einem Bild von Rossetti entstiegen.
Und wie es sich Antonio gewünscht hatte, ging bei ihrem Erscheinen ein Raunen durch die Menge. Alle starrten sie an, doch Emma konnte mit dieser Art Aufmerksamkeit wenig anfangen. Ihr Blick suchte Alex. Auch sein Blick hatte sich an ihr festgesaugt und sie lächelte ihm unsicher zu. Gefiel ihm das, was
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