Die Wahrheit hat nur ein Gesicht (German Edition)
Willst du die verpassen?«
Emma hasste Fuchsjagden. Die armen Füchse wurden dafür aus ihrem Bau getrieben und dann von der Meute gehetzt. Diese Jagd war in England zwar seit ein paar Jahren verboten, aber kaum einer hielt sich daran. Doch der Gedanke, auf ein Pferd zu steigen, ungebunden für sich sein zu können, nicht reden zu müssen, war verlockend.
»Ich komme gleich!« Schnell stieg sie in die Reitkleidung ihrer Mutter. Gott sei Dank war auch ihre Mutter eine leidenschaftliche Reiterin gewesen. Und auch Emma war eine gute Reiterin. Sie brauchte es nicht so wild wie ihre Schwester, aber sie liebte Pferde. Sie hatte ein gutes Gespür für sie und die Tiere vertrauten ihr.
Als Antonio und Emma endlich an den Stallungen ankamen, waren bereits alle versammelt. Die Pferde wurden verteilt, und Emma erhielt ein Englisches Vollblut, eine graue, sehr schöne Stute. Sie wirkte unruhig, reagierte auf jedes Geräusch und vor Nervosität schäumte ihr Gebiss.
»Ist dieses Pferd überhaupt zu reiten?« Emma war sich nicht sicher, ob sie diesem Wildfang gewachsen war. Der Stallbursche, der versuchte, das Tier zu bändigen, murmelte etwas Unverständliches und Emma stutzte. Warum gab man ihr so ein Pferd? Niemand kannte sie hier und es war allgemein üblich, Gästen ruhige Pferde anzubieten.
»Wer hat mir dieses Pferd zugeteilt?« Emma sah dem Burschen streng ins Gesicht.
Der Junge wurde puterrot, druckste herum und nuschelte schließlich kaum hörbar: »Miss Briggs wollte, dass Sie es kriegen.«
Es war offensichtlich, dass er den Auftrag hatte, darüber nicht zu sprechen. Emma sah sich um und entdeckte Cindy auf einem mächtigen schwarzen Hengst. Neben ihr saß Alex auf einem prächtigen Schimmel. Die beiden beobachteten Emma. Alex mit einem distanzierten, aber doch besorgten Blick, Cindy triumphierend.
Es war klar, was Cindy vorhatte. Sie wollte Emma blamieren. Würde Emma das Pferd besteigen, würde es sie wahrscheinlich abwerfen. Würde Emma das Pferd nicht besteigen, hätte Cindy damit verhindert, dass Emma überhaupt an der Jagd teilnahm.
Cindy warf Emma einen herausfordernden Blick zu. Emma beantwortete ihn mit einem ebenso herausfordernden Lächeln. Dann stieg sie aufs Pferd.
Die Stute reagierte sofort, sprang mit einem heftigen Satz nach vorn und stieg. Emma konnte sich gerade noch festhalten. Dann keilte das Pferd in Bocksprüngen durch den Hof. Die gesamte Gesellschaft spritzte auseinander und brachte sich in Sicherheit. Emma hatte sofort die Steigbügel verloren und klammerte sich mit den Beinen an den Körper des Pferdes. Sie überlegte fieberhaft, was sie tun konnte. Und dann kam ihr die Lösung:
»Lauf!«
Sie drückte dem Pferd die Fersen in die Seite und jagte es aus dem Hof. Die Stute reagierte mit hohem Tempo und Emma flog mit ihr über die breiten Wiesen des anliegenden Golfplatzes. Emma wusste, dass sie das Pferd auspowern musste. Das Tier stand unter Strom und Bewegung baute Spannung ab. Das hatte sie von ihrer Schwester gelernt, die mit Vorliebe Pferde ritt, die gefährlich waren. Emma ließ nicht zu, dass das Tier langsamer wurde, sondern erhöhte das Tempo. Die Stute musste müde werden und in diesem Tempo würde sie nicht darüber nachdenken, Emma abzuwerfen.
Die anderen Reiter waren inzwischen aus dem Hof gekommen. Alle saßen auf ihren Pferden und beobachteten gespannt, Emmas Kampf. Und alle rechneten sie damit, dass sie stürzen würde. Doch Emmas Plan ging auf und sie spürte, wie das Pferd nach ein paar Runden ruhiger wurde. Die Galoppsprünge wurden weicher und mit einem Mal reagierte das Tier auf Emmas Hilfen. Sie lenkte die Stute zurück und mit weichen, fließenden Bewegungen zeigte die sich jetzt von ihrer besten Seite.
Emma sah hinreißend aus. Sie hatte ihren Helm verloren und wie bei einer Amazone wogten ihre Haare in wilden blonden Locken über ihre Schulter. Ihr Gesicht war von der Anstrengung gerötet, sie atmete heftig und ihre zarte, blühende Erscheinung wurde von so manchem Männerblick gestreift. Als sie zurückkam, applaudierten alle und Antonio strahlte über beide Ohren: Das war seine Frau!
Es hatte ihn überrascht, dass Emma das Pferd bestieg. Er hätte diese Stute nicht haben wollen. Aber dass sie es geschafft hatte, das Tier zu bändigen, machte ihn stolz. Seine Braut zeigte ein Temperament, das er ihr gar nicht zugetraut hätte. Er war gespannt, wie sich diese Leidenschaftlichkeit in der Nacht äußern würde.
Cindy dagegen war bleich vor Wut. Sie hatte das
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