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Die Wahrheit stirbt zuletzt

Die Wahrheit stirbt zuletzt

Titel: Die Wahrheit stirbt zuletzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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zu nehmen und zur Bar zu gehen.
    »Woher kennst du ihn?«, fragt Magnus gereizter, als er eigentlich beabsichtigt hat.
    »Von hier und da und überall. Wir sind Kollegen«, sagt Irina und sieht André hinterher.
    »Mehr als das, scheint mir!«
    »Was meinst du damit?«
    »Das weißt du doch ganz genau.«
    »Hör auf, so ein Bourgeois zu sein, Magnus. Bist du etwa eifersüchtig?«
    »Und was, wenn ich es bin?«
    »Dann nichts, du gestrenger Aufpasser«, sagt sie lachend, stellt sich auf die Zehenspitzen und küsst ihn schnell auf den Mund. »André ist der Prinz vieler Betten. Er ist lustig, und mehr war nicht dabei, und es ist auch schon eine Weile her. Du brauchst dich also nicht aufzuregen.«
    Er erinnert sich an Joes Worte, dass im Krieg jeder mitjedem und überall vögelt. Das war es doch, was er gesagt hat? Magnus spürt seine Eifersucht, aber mehr noch ärgern ihn seine eigene Ohnmacht und sein kindisches Verhalten und dass sie so gelassen wirkt und seine Gegenwart als selbstverständlich ansieht. Gleichzeitig freut ihn das.
    Er weiß nicht, was er sagen oder tun soll, wird aber glücklicherweise vom Minister aus dieser Situation erlöst, der soeben die Bühne betreten hat und jetzt durch das Mikrofon der Sängerin spricht. Seine Stimme klingt laut und melodisch, als er einen Gruß von Premierminister Negrín überbringt und viele Grüße vom siegreichen Heer ausrichtet, das Teruel in Bälde erobert und damit ein großes Loch in die Front der Faschisten gesprengt haben werde. Er überbringt auch Grüße von der Heldenstadt Madrid und einen speziellen Gruß vom großen Stalin und dem sowjetischen Volk, das den Kampf des demokratischen Spanien gegen die Faschisten so uneigennützig unterstütze.
    »Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kameraden«, ruft er wie bei einer Wahlkampfveranstaltung. »Willkommen zu diesem Ball, der zeigt, dass die Republik sowohl zu kämpfen als auch zu feiern versteht. Wir danken Albacete für die Einladung und sind stolz darauf, in der Stadt zu Gast zu sein, die unseren Freunden und Alliierten bei den Internationalen Brigaden als Hauptquartier dient.« Er erhebt sein Glas und ruft »salud«, und die Menge klatscht. Die Bigband beginnt zu spielen, und die Tanzfläche füllt sich, während der Rauch und das Gerede zu den hohen Decken mit den großen Kronleuchtern aufsteigen.
    Die nächsten Stunden vergehen wie im Flug mit Gesprächen und Tänzen. Magnus findet André immer sympathischer, je näher er ihn kennenlernt. Er flirtet zwar mit Irina, aber das tut er offensichtlich mit allen Frauen, und sie lacht bloß darüber.
    André und Magnus machen sich einen Spaß daraus, einander die verschiedenen Schwarzmarkthaie und andere Geschäftemacher zu zeigen, die sie in Albacete kennen. André kann zudem noch mit eigens angereisten Waffenhändlern und Schmugglern aufwarten. Unter den Gästen sind auch wohlhabende Großschmuggler aus verschiedenen Ländern, die all das beschaffen können, was in der Republik Mangelware ist. Es sind mutige Blockadebrecher und gut gepolsterte Offiziere dabei, die ihre Rangabzeichen wohl eher gekauft als auf dem Schlachtfeld errungen haben. André sagt, sie würden nicht im Traum daran denken, sich irgendwo hinzubegeben, wo die Gefahr bestünde, dass ihre fetten Ärsche getroffen würden.
    Unter den Gästen sind nicht besonders viele Russen, aber Magnus entdeckt Stepanowitsch, geht schnell zu ihm hin und versperrt ihm demonstrativ den Weg.
    Stepanowitsch trägt einen hellen Anzug. Vermutlich denselben, den er anhatte, als Magnus ihm im Flughafen von Valencia zum ersten Mal begegnet ist, aber diesmal sieht er zerknittert aus und sitzt schlecht, als wäre er lange nicht gebügelt worden oder als hätte Stepanowitsch stark abgenommen. Seine dunklen Schuhe sind staubig. Die blassen Augen in dem schmalen Gesicht sehen müde aus, und seine Haare sind stumpf. Er sieht aus wie ein Mann, der ernsthafte Probleme hat.
    »Na, du hast dich aber feingemacht, Kamerad Stepanowitsch«, sagt Magnus.
    »Wie ich sehe, sind Sie entgegen unserer Empfehlung noch immer nicht abgereist, Señor Meyer«, sagt er in seinem überkorrekten Spanisch.
    »Aber ich habe einen Artikel geschrieben.«
    »Sogar mehr als einen, wie ich gesehen habe.«
    »Ach, das wissen Sie also auch?«
    »Es ist meine Aufgabe, gut informiert zu sein, damit ich die legal gewählte Republik bestmöglich vor den Aufständischenund den vielen anderen Feinden schützen kann, die die Demokratie bedrohen.«
    »Aber

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