Die Wahrheit stirbt zuletzt
selbstverständlich. Der SIM ist eine großartige Organisation. Das weiß jeder. Dann können Sie mir ja vielleicht auch verraten, wo ich Kommissar Pandrup finde.«
»Nein. Das kann ich nicht.«
»Wollen oder können Sie nicht?«
»Das tut nichts zur Sache. Pandrup ist im Dienst des Staates unterwegs.«
»Wo?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen. Aber vielleicht können Sie mir verraten, wo ich Ihren Freund Joe Mercer finden kann?«
Magnus hat Sorge, sein Blick könnte nervös flackern. »Nein. Das kann ich nicht«, antwortet er, und seine Stimme klingt zum Glück ganz normal.
»Dabei waren Sie doch mit ihm zusammen in Valencia. Und in Cartagena, wenn ich recht informiert bin, oder?«
»Ja. Sie sind wirklich gut unterrichtet.«
»Das ist meine Aufgabe. Was ist danach passiert?«
»Wir haben uns getrennt. Ich bin hierher zurückgekehrt. Joe wollte weiter nach Madrid oder vielleicht auch nach Barcelona. Ich bin nicht sein Aufpasser, Kommissar Stepanowitsch.«
»Nein, das sind Sie wohl nicht. Aber Sie sind sein Freund, oder?«
»Ja, als solchen betrachte ich ihn.«
»Und Sie wissen nicht, wo er ist?«
»Nein. Was wollen Sie denn von Joe?« Es ist sicher am besten, in die Offensive zu gehen, denkt Magnus. Er spürt, wie ein Tropfen Schweiß seine rechte Achselhöhle hinunterrinnt.
»Das geht Sie nichts an«, sagt der Russe.
»Ich schätze dein freundliches und einnehmendes Wesen wirklich sehr, Kamerad Stepanowitsch.«
»Und ich schätze Ihren dänischen Sarkasmus. Aber lassen Sie es mich wissen, falls Sie herausfinden, wo Joe Mercer sich aufhält. Sie sind schließlich der Letzte gewesen, der mit ihm gesprochen hat.«
»Das glaube ich kaum.«
»Er scheint jedenfalls verschwunden zu sein.«
»Spanien ist ein gefährliches Land.«
»Da haben Sie vollkommen recht, Meyer. Das sollten Sie ebenfalls nicht vergessen.«
Es ist höchste Zeit, wieder in die Offensive zu gehen: »Was ist mit meinem Bruder? Was ist mit Mads?« Er sieht dem Russen direkt in die Augen und meint, eine Veränderung, eine Unsicherheit in dessen merkwürdig hellen Augen zu bemerken. Magnus versucht, seinen Blick festzuhalten, aber diesmal sieht Stepanowitsch weg.
»Ihr Bruder ist, wo er ist und wo er gebraucht wird.«
»Sie wissen also, wo er sich aufhält?«
»Das habe ich nicht gesagt. Und jetzt muss ich leider gehen.«
Magnus hält ihn am Arm fest, der Blick des Russen verändert sich und wird so bedrohlich, dass er seinen Arm schnell wieder loslässt und ihm den Weg frei macht.
»Sie wissen, wo mein Bruder ist. Das spüre ich«, sagt er viel zu flehend. »Können Sie mir nicht wenigstens sagen, ob es ihm gut geht? Können Sie ihn nicht wenigstens von mir grüßen? Ich möchte einfach nur wissen, ob es ihm gut geht.«
»Kehren Sie nach Dänemark zurück, Señor Meyer. Sie gehören nicht hierher. Kehren Sie in Ihr beschauliches und friedliches kleines Land zurück.«
Magnus blickt ihm empört und enttäuscht hinterher und ist wütend auf sich selbst und seine Ohnmacht gegenüber dem SIM und jeder anderen mächtigen Organisation. Er schiebt sich durch das Gedränge, geht zu der langen Bar hinüber und bestellt einen großen Cognac, den er mitdrei langen Schlucken austrinkt. Der Alkohol brennt ihm in der Kehle, aber er genießt den Schmerz.
Die Feier nimmt schnell an Intensität und Lautstärke zu, und Magnus kommt es so vor, als befände er sich mitten in einem verzweifelten Totentanz – ein letzter vergeblicher Versuch, den Glauben daran aufrechtzuerhalten, dass alles gut ausgehen wird.
Er schüttelt all die verfluchten düsteren Gedanken ab und zwingt sich dazu, sich zu amüsieren. Das ist nicht sonderlich schwierig. Der Alkohol fließt, und die Bigband mit einem schwitzenden, energischen Dirigenten, Musikern in roten Sakkos und schwarzen Hosen und einer Sängerin, die das Beste aus dem großen spanischen und lateinamerikanischen Repertoire herausholt, sorgt für ausgelassene und übermütige Stimmung.
Während einer kurzen Pause unterhält Magnus sich mit dem Dirigenten, der Lucius Domingo heißt und aus Buenos Aires stammt. Sie tauschen Erinnerungen an Argentinien aus, wo Domingo schon seit zehn Jahren nicht mehr gewesen ist. Für einen Moment sprechen sie miteinander wie alte Freunde. Irina kommt dazu und gibt ein wenig damit an, dass Magnus sowohl Zarzuelas als auch die beliebtesten argentinischen Lieder beherrsche und damit überall für Stimmung sorge. Dann überredet sie ihn, einen Tango aus Buenos Aires zu singen,
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